Einen Rückzug aus China könnten viele europäische Konzerne nicht überleben – Volkswagen etwa macht 37 Prozent seines Umsatzes im Reich der Mitte. Auch Adidas erzielt mehr als ein Fünftel seines weltweiten Umsatzes in China.
Vom Partner zum Rivalen
Wolfgang Niedermark, einer der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), hat die deutsche Außenhandelsstelle in Hongkong geleitet. Und erlebte mit, wie sich immer mehr europäische Firmen wegen des wachsenden chinesischen Drucks beginnen umzuorientieren. Ihnen sei klar, "dass China seine Hinwendung zum Westen beendet hat und nun nach eigenen Regeln verfährt". Nach einer Zeit der Kooperation sei China nicht mehr der Partner, sondern der Rivale.
Überdies geben die Gesetze in China eindeutig vor, dass die dortigen Sicherheitsbehörden Zugriff auf Unternehmensinformationen erhalten. Beteiligungen an staatlichen Ausschreibungen sind für europäische Firmen in China auch nicht möglich.
Offen darüber diskutieren können europäische Konzernchefs nicht. In Peking wird aufmerksam registriert, ob Kritik aus den Chefetagen dringt.
Und so will auch ein österreichischer Unternehmer im Gespräch mit dem KURIER nicht namentlich genannt werden, als er schildert: "Es ist viel härter geworden, in China zu investieren. Ich war auch seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr in China. Ich kann einfach nicht riskieren, von einem Moment auf den nächsten wochenlang in einem Lockdown weggesperrt zu werden, nur weil drei Meter entfernt von mir irgendwer Corona hatte."
Mehrfaches Dilemma
Österreichische Unternehmen sind gleich in mehrfacher Weise von China abhängig. Dabei geht es nicht nur um einen riesigen Absatzmarkt, der sich zunehmend isoliert, sondern auch um wichtige Bezugsquellen, sagt Arnold Schuh, Direktor des Kompetenzzentrums für Emerging Markets & Mittel- und Osteuropa an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Laut einem Bericht der EU-Kommission werden 52 Prozent der kritischen Produkte aus China bezogen. Würde Peking die Belieferung bestimmter Waren unterbinden, wäre das für manche Branchen in Österreich eine Katastrophe, sagt Schuh. Geschäfte würden in der Volksrepublik immer stärker politisiert.
Immer häufiger würden Parteimitglieder in den Niederlassungen internationaler Unternehmen in China installiert. "Die Chinesen schauen auch, wie über ihr Land berichtet wird", sagt Schuh. Negative Meldungen, etwa wegen Menschenrechtsverletzungen, "können zu Nachteilen für europäische Unternehmen in China führen".
Aber auch ohne schlechte Presse werden westliche Unternehmen benachteiligt, etwa durch staatliche Förderungen für chinesische Mitbewerber. Auch, dass China von westlichen Unternehmen Technologie absauge, sei ein Dilemma, so Schuh. Das sei zwar nicht neu, werde aber immer schonungsloser.
Die Abhängigkeiten können vor allem durch Diversifizierung verringert werden, meint Klaus Weyerstraß vom Institut für Höhere Studien (IHS). "Man muss sich Substitutionsmöglichkeiten suchen und auf Rohstoffe ausweichen, die in anderen Ländern produziert werden", sagt Weyerstraß. Ein weiterer Ausweg sei es, mehr Recycling zu betreiben und Produktionen zurück nach Europa zu holen, wie etwa die Produktion von Batterien für E-Autos.
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