Alarm um kasachische Agenten bei der Polizei
Die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit überprüft nun die fragwürdigen Kontakte von Beamten des Bundeskriminalamtes zum kasachischen Geheimdienst KNB. Diese Kontakte haben eine besondere Brisanz bekommen, nachdem bekannt wurde, dass es dem KNB gelungen war, aus Italien zwei Angehörige des regimefeindlichen Oligarchen und Oppositionellen Mukhtar Abliasow zu verschleppen. Das ist zwar illegal, geschah aber mit voller Unterstützung der italienischen Polizeieinheit DIGOS (siehe Bericht unten).
Dieser beispiellose Akt hat im Wiener Innenministerium Agentenalarm ausgelöst. Denn auch in Wien sind die Kasachen auf Menschenjagd. Und auch hier haben die KNB-Agenten gute Beziehungen zur Exekutive aufgebaut. Beziehungen, mit deren Hilfe sie in den letzten Jahren mehrere Zielpersonen ausspionierten.
Menschenjäger
Der kasachische Alleinherrscher Nursultan Nasarbajev hat weltweit seine Geheimagenten auf die Jagd nach seinen Gegnern ausgeschickt. Wenn es nicht möglich ist, ihrer habhaft zu werden, greifen die Agenten des postkommunistischen KNB auf deren Angehörige zu – wie zuletzt bei der Affäre in Italien.
Es war sicher kein Zufall, dass der Bedarfsflieger für die Kidnapping-Operation in Wien gemietet wurde. Hier wird die Europazentrale für der KNB-Agenten vermutet. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist der KNB-Geheimdienstoffizier Leonid B. in Wien der Beauftragte für die „Rückführung von Personen“. Hier stehen vor allem der ehemalige kasachische Botschafter und Ex-Präsidentenschwiegersohn Rakhat Aliyev und seine früheren Mitarbeiter im Visier. Sie sollen zur Rückkehr in die Heimat gezwungen werden, wo Aliyev wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen und Mord zu insgesamt 40 Jahren Haft verurteilt wurde.
Der deutsche Universitätsprofessor Arndt Sinn spricht jedoch diesem Urteil die rechtsstaatlichen Standards ab. Auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof, Amnesty International und das Landesgericht Wien stellten unzulässige und menschenrechtsverletzende Methoden fest. Auch ein Gericht in Malta, wo ebenfalls ein Verfahren gegen Aliyev angezettelt wurde, stellte es nun ein und gab auch Aliyevs eingefrorene Konten frei.
Folglich versucht es der KNB mit Gewalt. Dabei werden auch Angehörige von den in Wien lebenden Zielpersonen als Geiseln genommen. So wandte sich etwa ein Kasache ans Bundeskriminalamt mit einem Memory Stick, auf dem ein Telefonat aufgezeichnet war. Da wurde ihm mitgeteilt, dass seine zwei Töchter vom KNB inhaftiert worden seien. Sie würden nur freikommen, wenn er zurückkehrt. Er kehrte zurück und wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Die beiden Töchter mussten dennoch zwei Jahre hinter Gitter ausharren.
Fragwürdige Kontakte
Ob der Mann mit seinem Hilfeersuchen beim Bundeskriminalamt gut aufgehoben war, ist fraglich. Wie sich im Laufe des Verfahrens, das gegen Aliyev in Wien geführt wird, herausstellte, gibt es eine enge Verbindung zwischen Beamten des Bundeskriminalamtes und dem KNB. Obwohl die Staatsanwaltschaft jede Zusammenarbeit mit dem KNB ablehnt, treffen sich regelmäßig Kriminalpolizisten und kasachische Geheimagenten. Die Staatsanwaltschaft konnte eine Reise der Kriminalbeamten in die KNB-Zentrale nach Astana verhindern.
Untersuchung
Eine Affäre wie in Italien will man sich aber auf jeden Fall ersparen. Aus dem Innenministerium heißt es nun, dass Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, die seltsame Kooperation der Kriminalisten mit den kasachischen Geheimagenten untersuchen werde.
Weitere Teile der Agenten-Serie:
Propaganda-Posse um Zeugenaussagen
Zweifelhafte Umtriebe der Kripo
Kopfgeldjäger bei Polizei und Heer
Kasachischer Geheimdienst fand offene Türen beim Bundeskriminalamt
Mukhtar Abliasow: Der Oligarch soll über ein Netzwerk von Briefkastenfirmen die kasachische BTA-Bank um sechs Milliarden US-Dollar geschädigt haben. Abliasov behauptet, politisch verfolgt zu sein und erhielt Asyl in Großbritannien. Dort muss er sich aber einem Strafverfahren der britischen Justiz wegen mutmaßlicher Geldwäscherei stellen. Seine Familienmitglieder halten sich in der Schweiz und Italien auf, wo jetzt die Ehefrau und eine Tochter unter dubiosen Umständen von der Geheimpolizei DIGOS in ein angemietetes Flugzeug nach Kasachstan verfrachtet wurden.
Rakhat Aliyev: Aliyev stieg durch seine Heirat mit Dariga Nasarbajewa, der ältesten Tochter des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajev, in die Machtzirkel des Landes auf. Er war Mitgründer der Nurbank, Chef der Steuerfahndung und stellvertretender Leiter des Geheimdiensts. Er stieg unter anderem zum Vize-Außen- minister auf, war auch Botschafter in Wien. 2007 kam es zum Bruch mit dem Schwiegervater. Aliyev wurde gegen seinen Willen von seiner Frau, mit der er drei Kinder hat, geschieden. Er wurde beschuldigt, zwei Bank-Manager ermordet zu haben. Nachdem er laut Erkenntnis der Justiz in seiner Heimat kein faires Verfahren erwarten kann, prüft die Staatsanwaltschaft Wien die Vorwürfe. Aliyev hält sich aus Sicherheitsgründen in Malta auf.
Der Skandal um die Ausweisung von Frau und Tochter des kasachischen Oppositionellen Mukhtar Abliasov steht kurz vor der Aufklärung. Die Suche nach den Verantwortlichen der illegalen „Blitz-Abschiebung“ bringt die Regierung Letta in große Bedrängnis; die Spuren führen direkt zum kasachischen Geheimdienst, der nicht nur in diesem Fall offenbar von Wien aus operierte.
Anfang Juni wurden Alma Shalabayeva und ihre 6-jährige Tochter in einer Nacht- und Nebel-Aktion von Rom nach Astana gebracht. Bei der Razzia wollte man eigentlich den kasachischen Oligarchen Abliasov festnehmen, den man in einer Villa im römischen Vorort Casal Palocco vermutete, der aber in seinem Haus in London saß. Jetzt sind seine Frau Shalabayeva und ihre Tochter das Pfand in der Hand der Kasachen, die so an Ablisalow herankommen wollen.
Sog des Skandals
Besonders Innenminister Angelino Alfano gerät immer stärker in den Sog des Skandals. Wochenlang beteuerten die italienischen Behörden, es sei alles rechtens abgelaufen und die Polizei hätte lediglich auf einen Interpol-Haftbefehl reagiert.Die Regierung will nicht über die Abschiebung informiert gewesen sein. Dies gilt jedoch als wenig glaubwürdig. Italienische Medien berichten, der kasachische Botschafter in Rom habe persönlich im Innenministerium interveniert, um eine Festnahme durchzusetzen.
Vize-Premier und Innenminister Alfano will die Schuldigen dieser Affäre bestrafen, die ihm diese „äußerst schwierige Situation“ bescherten. Heute muss Polizeichef Alessandro Pansa vor dem Parlament über den Fall berichten. Unter hohen Funktionären könnten bald Köpfe rollen: Im Visier stehen der Kabinettschef des Innenministers, Giuseppe Procaccini, Präfekt Alessandro Valeri sowie Roms Polizeipräsident Fulvio Della Rocca.
Freitag veranlasste Premier Letta das Abschiebungsdekret, das auf illegale Weise erfolgte, aufzuheben. Außenministerin Emma Bonino gestand, dass „wir eine klägliche Figur abgegeben haben“. Für Abschiebungen sei aber nicht das Außen-, sondern das Innenministerium zuständig. Man wolle sich nun um die Rückkehr der Frau und der Tochter des Dissidenten bemühen. Die gilt als unrealistisch. Kasachstan hat ein Ausreiseverbot verhängt.
Italien steht im dringenden Verdacht, dem kasachischen Diktator Nursultan Nasarbajew einen Freundschaftsdienst erwiesen zu haben. Das Land verbindet zahlreiche Wirtschaftsinteressen mit dem zentralasiatischen Staat. Nach USA, Großbritannien und den Niederlanden ist Italien der viertgrößte Investor.
Freundschaftsdienst
Laut La Repubblica könnte dabei Silvio Berlusconi eine Schlüsselrolle gespielt haben. Der Ex-Premier gilt als Freund Nasarbajews. Pikantes Detail: Während der Fall Regierung und Polizeispitze ins Wanken bringt, verbrachte Nasarbajew seinen Urlaub auf Sardinien in der Villa eines Berlusconi-Vertrauten.
Der Fall wirft zahlreiche Fragen über Drahtzieher, Mitwisser und Verantwortliche auf: Warum waren bei der Abschiebeaktion über 50 Agenten und Spezialpolizei Dingo im Einsatz? Warum hält man am Vorwurf, die Pässe der beiden seien gefälscht gewesen, fest, obwohl sich dies als falsch herausstellte? Warum stand noch vor Genehmigung des Abschiebeantrags ein Privatjet, der von der kasachischen Botschaft bei einem österreichischen Charterunternehmens bestellt wurde, bereit?
Kommentare