„Ich verstehe nicht, warum die Bundesregierung bei der Frage der Entminung immer noch zögert“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einem Gipfel des Europäischen Rates im isländischen Reykjavik am Mittwoch und fuhrt fort: „Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche wie Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten oder landwirtschaftlicher Gebiete widerspricht sicher nicht der österreichischen Neutralität, sondern ist eine humanitäre Angelegenheit.“ – und trat damit eine Debatte los, die rasch an Fahrt aufnahm.
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Plötzlich ist von einem Einsatz österreichischer Soldaten in der Ukraine die Rede, ohne dass der Bundespräsident dies klar gefordert hätte: „Der Bundespräsident wurde in Reykjavik auf die Entminungs-Hilfe angesprochen. Es war ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob geholfen wird oder nicht, keine Frage der Neutralität ist“, heißt es dazu auf KURIER-Anfrage aus der Präsidentschaftskanzlei.
Das Bundeskanzleramt wiederum will dennoch klarstellen, dass Österreich keine Soldaten in die Ukraine entsenden werde: „Es wird kein österreichischer Soldat für so einen operativen Einsatz ukrainischen Boden betreten, solange das ein Kriegsgebiet ist“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
Der Vorschlag, Soldaten auf Minenräumungseinsätze in die Ukraine zu entsenden, stammt vom grünen Wehrsprecher David Stögmüller. Fakt ist: Kein einziger Staat hat bisher seine Soldaten in die Ukraine entsandt, um dort Minen zu räumen. Denkbar wäre, dass irgendwann ein Einsatz mit UN- oder EU-Mandat ins Leben gerufen wird - es sieht nicht danach aus, als ob das in absehbarer Zeit geschieht.
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Ein Grund dafür ist, dass dies zum überwiegenden Teil Organisationen sind, wie etwa die NGO „The Halo Trust“, die seit 2016 in der Ukraine im Einsatz ist. Die USA, Großbritannien, Luxemburg, Deutschland oder auch die Niederlande unterstützen diesen Einsatz finanziell. Österreich prüft derzeit eine finanzielle Beteiligung an einer entsprechenden Initiative des Roten Kreuzes. Neben einem tatsächlichen Einsatz in der Ukraine und der Unterstützung ziviler Organisationen gäbe es für Österreich eine weitere Option – wie sie etwa das neutrale Irland gezogen hat: Die Ausbildung ukrainischer Soldaten zum Entminungsdienst. Derzeit bilden sie gemeinsam mit US- und zypriotischen Soldaten Ukrainer aus.
Für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ist das keine Option: „Wir helfen der Ukraine auf vielfältige Art und Weise, es gehen Millionen Euro nach Kiew, wir liefern zusätzlich Feldbetten, Röntgengeräte, etc. etc. Die rote Linie sind letale beziehungsweise offensive Waffensysteme und deren Ausbildung daran. Dazu sind wir als neutraler Staat nicht bereit. Was die Minen angeht: Ich bin sofort bereit, nach dem Ende des Krieges an Entminungsmissionen teilzunehmen. In einem laufenden Konflikt ist das aber schwierig – wer Minenfelder freiräumt schafft mitunter Korridore für angreifende Soldaten. Außerdem sind unsere Entminungsgeräte derzeit nicht Verfügbar, weil sie wo anders im Einsatz sind“, sagt sie im KURIER-Interview.
Drei Millionen für Ausbildungsmission
Auch einer etwaigen Ausbildung ukrainischer Soldaten am Kampfpanzer Leopard II erteilte das Verteidigungsministerium im Winter eine Absage. In puncto Hilfe beschränkt sich Österreich meist auf finanzielle Mittel. Drei Millionen Euro steuert die Republik etwa für die Ausbildungsmission „EUMAM“ der EU für ukrainische Soldaten bei.
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Anders verhält es sich bei der Entminung an ehemaligen Kriegsschauplätzen: In Bosnien etwa unterstützt das Bundesheer beim Minenräumen, klärt an Schulen über die Minengefahr auf. Das allerdings im Rahmen der EU-Mission EUFOR Althea, und damit mit einem internationalen Mandat.
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