Britischer Europaminister: „Wir fühlen uns wohl – außerhalb der EU“
Schrumpfende Wirtschaft, steigende Preise und ungelöste Grenzstreitigkeiten in der Krisenprovinz Nordirland: Aus EU-Sicht tut sich Großbritannien mit den Folgen des Brexit ziemlich schwer.
Der britische Europaminister Leo Docherty lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Der erfahrene Militär, der im Irak und in Afghanistan im Einsatz war, setzt auf gute Zusammenarbeit mit den einzelnen Ländern in Europa und die durch den Ukraine-Krieg gestärkte Allianz der westlichen Welt. Der KURIER traf ihn in Wien.
KURIER: Wie sieht Großbritannien den Streit um Panzer für die Ukraine?
Leo Docherty: Es gibt keinen anderen Weg, als unsere ukrainischen Freunde in die Lage zu versetzen, diesen Krieg so rasch wie möglich zu gewinnen. Und das heißt, dass sie ihr ganzes Territorium von dieser entsetzlichen russischen Aggression befreien.
Wir hoffen, dass die Panzer, die wir liefern, auch für andere die Türen öffnen. Wir respektieren aber, dass die Deutschen für diese Entscheidung Zeit brauchen.
Treffen die Folgen dieses Krieges Großbritannien nicht deutlich weniger als Länder wie Deutschland oder Österreich?
Putin hat aus seinen Energieressourcen eine Waffe gemacht, und die Wirkung dieser Waffe ist nicht geografisch beschränkt. Das hat uns genauso getroffen wie alle anderen, weil die Kosten global gestiegen sind.
Die Leute in meinem Wahlkreis in England sind davon genauso betroffen wie die Menschen überall in Europa. Wir stehen gemeinsam vor dieser Herausforderung.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Europa?
Alle europäischen Länder wollen heute mehr Großbritannien, nicht weniger. Der Kieselstein, den wir seit dem Brexit im Schuh mitschleppen, ist natürlich das Nordirland-Protokoll – wir versuchen, das zu lösen.
Na ja, vielleicht haben wir ein paar weitere Steine im Schuh, aber im Großen und Ganzen sind die Länder Europas sehr enthusiastisch, was die Beziehungen zu Großbritannien betrifft. Und sie wollen sie enger, besonders, was erneuerbare Energien betrifft oder Sicherheit und Verteidigung und natürlich Handel.
Gibt es also kein Bedauern wegen des Brexit?
Wir Briten denken einfach global. Was wir nie mochten und was uns immer verdächtig erschien, waren die EU-Institutionen wie die Kommission. Wir waren nie ein einfaches EU-Mitglied, unsere Mitgliedschaft war nie entspannt.
Frankreichs Präsident Charles de Gaulle hatte einst recht (als er sich gegen die Briten in der EU stellte, Anm.). Wir wollten Handel treiben, wollten aber nie eine tiefgreifende politische Beziehung. Es war also die Frage nationaler Selbstständigkeit, die zum Motor für den Brexit wurde.
Keine Gedanken an eine Rückkehr in die EU?
Wir werden tiefe und starke Handels- und Wirtschaftsbeziehungen haben, besonders starke Beziehungen in Sicherheitsfragen, auf der Basis unserer NATO-Mitgliedschaft. Aber dass wir außerhalb der EU sind, ist eine klare Sache, und wir fühlen uns wohl damit. Nicht einmal die Labour-Opposition und ihr Chef Keir Starmer würden sagen, dass wir zurück in die EU gehen sollten.
Bei der nächsten Wahl in Großbritannien wird es also um die Kosten für das tägliche Leben gehen, um Energiepreise, das Gesundheitssystem – viel mehr als um eine Diskussion, ob wir zurück in die EU sollten.
Und langfristig?
Wir arbeiten eng mit unseren Partnern auf dem Kontinent zusammen, aber auch mit denen im britischen Commonwealth, Indien etwa. Großbritannien ist groß, weil wir global denken. Wir gehen raus in die Welt, handeln mit anderen Menschen, und das haben wir auch schon die letzten 500 Jahre getan.
Kommentare