Brexit: May siegte – und steht vor der Niederlage

Die Premierministerin überstand das Misstrauensvotum ihrer Partei zwar, doch die Brexit-Frage steht weiterhin auf der Kippe.

Sir Graham Brady machte es spannend, als er Zimmer 14 im britischen Unterhaus betrat. Ein Schluck Wasser, sekundenlanges Schweigen, Gelächter. Ehe er einen Umschlag aus seiner Sakkotasche zog und verkündete: „Die Partei hat Vertrauen in...“

Weiter kam er nicht, denn grenzenloser Jubel brach aus – zumindest unter den 200 der 317 konservativen Abgeordneten, die für Premierministerin Theresa May gestimmt hatten. Wieder einmal konnte diese ihre eiserne Überlebensfähigkeit unter Beweis stellten und das, nachdem britische Medien Mittwochfrüh mit Titeln wie „Die Geier kreisen schon“ getitelt hatten. 48 Torie-Abgeordnete hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Briefe für ein Misstrauensvotum gegen May hinterlegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich kein politischer Beobachter getraut, eine Vorhersage auf das Ergebnis zu treffen.

Erst im Laufe des Tages war immer klarer geworden, dass May den Rückhalt ihrer Partei genießt. Mit dem Ergebnis von 200 Stimmen erhielt sie sogar eine Stimme mehr als bei ihrer Wahl zur Vorsitzenden. Und damals waren die Tories mit deutlich mehr Abgeordneten im Unterhaus vertreten.

Es wird hart für May

Eine Misstrauensabstimmung kann nur einmal in zwölf Monaten stattfinden, parteiintern ist Mays Position also gefestigt. Dennoch wird ihre Situation schwieriger: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die ihre zerstrittene Fraktion wieder hinter sich vereinen kann, gilt als verschwindend gering. Beobachter in London schließen laut britischen Medien auch nicht aus, dass May  auch nach diesem Votum in absehbarer Zeit als Parteichefin zurücktritt.

Bereits vor der Abstimmung hatte sie angekündigt, bei der nächsten Wahl nicht mehr zu kandidieren. Mit ihrem Sieg steht May trotzdem wieder einmal vor ihrem nächsten Problem: Bis spätestens 21. Jänner muss sie das Parlament von ihrem Deal mit der EU überzeugen – und das gilt nach wie vor als unwahrscheinlich. Ursprünglich hätte diese Abstimmung am Dienstag stattfinden müssen, May verschob es kurzfristig, da ein Sieg ausgeschlossen schien.

Ein weiteres Problem ist, dass May mit ihrer Minderheitsregierung auf die Stimmen der nordirischen DUP angewiesen ist. Die DUP lehnt aber das mit Brüssel vereinbarte Abkommen vehement ab. Vor allem die als Backstop bezeichnete Garantie, dass keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland stattfinden sollen, stößt auf heftigen Widerstand. Der Backstop müsse aus dem Abkommen entfernt werden, sagte DUP-Chefin Arlene Foster.

Auch die Labour-Opposition will gegen Mays Deal stimmen, um damit May zum Rücktritt zu zwingen. Scheitert der Deal, rechnen Wirtschaftsanalysten damit, dass es mit einer 20-prozentigen Wahrscheinlichkeit zu einem harten Brexit kommt. Die wirtschaftlichen Folgen wären katastrophal, auch für Österreich, das mit 250 Unternehmen in Großbritannien vertreten ist. Im schlimmsten Fall drohen Wachstumseinbußen von 0,9 Prozent. May wird am heutigen EU-Gipfel versuchen, Brüssel zu weiteren Kompromissen zu bewegen, was die EU aber ablehnt.

Die Gegner lauern

Zwar könnten die Briten um eine Verlängerung der Frist bis zum Austritt bitten, jedoch würde das die Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten benötigen. Spanien könnte beispielsweise wieder britische Zugeständnisse in der Gibraltar-Causa verlangen und sich in Verhandlungen querstellen. Abgesehen davon wäre das Wind in den Segeln der Brexit-Befürworter, die einen ehestmöglichen Ausstieg versprochen haben und somit May noch mehr unter Druck setzen würden. Und eines ist klar: Diese 117 werden alles daran setzen, May das Leben noch schwerer zu machen, als sie es bisher getan haben.

Theresa May Statement

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