Ist Johnson für die Entwicklungen verantwortlich?
Die britische Politik ist seit dem Brexit zutiefst gespalten, alles ist zugespitzt. Johnsons extreme Persönlichkeit hat alles verstärkt, all die Ereignisse von Steuerskandalen bis zu den Partys im Lockdown in Downing Street. Viele hatten erwartet, dass diese besondere Persönlichkeit auch besondere politische Ideen haben würde. Da sind sie enttäuscht worden, denn es kamen keine Ideen.
Läuft das immer so in der britischen Politik?
Britische Politik ist traditionell dramatisch und nicht so ordentlich wie die Politik in Deutschland, oder Frankreich. Hier haben die Mitglieder einer Partei, großen Einfluss, auch darüber, wer Premierminister ist – und deren Stimmung kann sich schnell ändern. Die Spielregeln der britischen Politik sind brutal, vor allem bei den Konservativen. Sie sind immer besonders brutal mit ihren Führern umgegangen, wenn sie das Gefühl hatten, dass sie nicht mehr in der Lage sind, Wahlen zu gewinnen. Da war zum Beispiel Margaret Thatcher, als klar wurde, dass sie nicht mehr erfolgreich ist, haben sie sie einfach rausgeworfen.
Ist Johnson ein ungewöhnlicher Politiker?
Boris Johnson ist nun einmal eine extreme Persönlichkeit, seine ganze Karriere war ein ständiges auf und ab. Er konnte viele Menschen persönlich für sich begeisterten, viele waren regelrecht verliebt in ihn. Er war erfolgreich, dann kam wieder ein Skandal und der Absturz. Er hat auch immer Regeln gebrochen. So hat er schon als Journalist bewusst die Unwahrheit verbreitet. Er ist ein Politiker wie Marmite, das ist dieser traditionelle englische Brotaufstrich. Den kann man nur lieben oder hassen.
Ist das alles typisch britisches politisches Theater?
Die britische Politik folgt auch dem weltweiten Trend und der wird bestimmt durch die neuen Medien und ihren schädlichen Einfluss. Hier werden Meinungen immer mehr zugespitzt, sodass aus politischen Gegnern sofort Kriminelle werden, die ins Gefängnis gehören. Das haben wir ja auch in Österreich gesehen. Das ist eine echte Gefahr für die Zukunft der Demokratien, weil die Politik so immer instabiler wird. Das verschafft autoritären Systemen und ihren Führern einen Vorteil. Sie können nach außen hin Stabilität signalisieren, auch wenn sie so dramatische Fehlentscheidungen treffen wie etwa Putin. Sie bleiben ja trotzdem weiter nur von Ja-Sagern umgeben.
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