Die Grundvoraussetzungen dafür sind leicht erklärt. Ein gewitztes Kind aus der Oberschicht, dem es schlicht zu langweilig ist, sich als schnöseliger Snob zu gerieren. Als exzentrischer Clown, der schon auf der Eliteuniversität alle Spielarten des Tabubruchs durchexerziert, schärft er stattdessen nicht nur sein Gefühl für die immer noch ein Stück erweiterbaren Grenzen des Möglichen, sondern legt sich noch zwei weitere tragende Säulen für seinen Erfolg zu: ein stählernes Selbstbewusstsein, das auch Rückschläge ohne Kratzer übersteht, und den gnadenlosen Zynismus eines Mannes, der genüsslich ausgetestet hat, wie sehr sich ein System manipulieren lässt – auch gegen jede Vernunft.
Wenigstens Unterhaltung
Dummerweise war das System, das sich Johnson als Einsatzgebiet für all diese Fähigkeiten ausgesucht hatte, eine parlamentarische Demokratie. Tragisch, dass all diese Manipulationen – auch dank einiger genialer Teamkollegen – tatsächlich funktionierten. Johnson konnte tatsächlich eine Abstimmung über den EU-Austritt gewinnen, auch wenn die Unwahrheiten, mit denen man ins Feld zog, nicht einmal einer oberflächlichen Überprüfung standhielten. Johnson konnte eine Parlamentswahl in den verarmten Arbeiterregionen Nordenglands für sich und die Konservativen entscheiden, obwohl er den Menschen dort nichts zu bieten hatte, als die immer gleichen Versprechen vom Aufschwung, der aus dem Nichts kommen werde. Denn was Johnson in Wahrheit verkaufte, war gute Laune, glaubwürdig dargebotenes Mitgefühl und jene Art von politischem Entertainment, das Menschen, die sich von Politik ohnehin nichts mehr erwarten, wenigstens Unterhaltung bietet – und eine Möglichkeit, ihre Wut und Frustration loszuwerden.
Das immer gleiche Schema des Populismus funktioniert also verlässlich, solange man nur den geeigneten Hauptdarsteller findet und auf ein paar nationale Eigenarten Rücksicht nimmt. Engländer haben eine Vorliebe für humorvolle Exzentriker – Johnson lieferte ihnen genau den. Mehr also war nicht notwendig, um Großbritannien raus aus Europa und tief hinein in eine nicht nur wirtschaftliche, sondern auch existenzielle Krise zu führen. Ein Lehrstück also, dass Demokratien mehr brauchen als den gerade von den Populisten ständig beschworenen Wählerwillen. Denn der kann sich – der Brexit beweist es – zuletzt gegen die Wähler selbst richten.
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