Bleiberecht von EU-Ausländern bei Brexit? Ein Anfang, mehr nicht

Bleiberecht von EU-Ausländern bei Brexit? Ein Anfang, mehr nicht
In der EU regt sich Kritik am Vorschlag von Premierministerin Theresa May. Es sei ein erster Schritt, meinte EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker. "Aber der ist nicht ausreichend."

Es ist ein erster, wenn auch kleiner, Schritt in Richtung der EU-27. "Ich will allen EU-Bürgern versichern, die im Vereinigten Königreich leben und arbeiten, dass niemand gehen muss, dass wir keine Familien auseinanderreißen werden", sagte die britische Premierministerin zum Auftakt des zweiten Gipfeltages in Brüssel. Offen ließ sie jedoch unter anderem, welches Datum als Stichtag für die Regelung festgelegt werden soll.

Im Detail: Mays Angebot - Bleiberecht für EU-Bürger

Entsprechend geteilt fallen die Reaktionen auf Mays Versprechen aus. Jean-Claude Juncker ist der Vorschlag der britischen Premierministerin Theresa May zu den Bürgerrechten beim Brexit nicht klar genug. "Das ist ein erster Schritt. Aber der ist nicht ausreichend", meinte der EU-Kommissionspräsident am Freitag.

Anders hingegen die deutsche Bundeskanzlerin. Es sei ein "guter Anfang", meinte Angela Merkel noch am Donnerstagabend. Es seien aber noch viele Fragen zu klären. Dazu zählte sie die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU infolge des Brexits und das Verhältnis zum britischen Nachbarn Irland.

Bleiberecht von EU-Ausländern bei Brexit? Ein Anfang, mehr nicht
 

"Angeblich großzügiges Angebot"

Bundeskanzler Christian Kern sieht das ähnlich. Es sei "ein erster Vorschlag, über den man einmal diskutieren kann. Der regelt allerdings nicht das gesamte Problem", sagte Kern. "Es sind immer noch genug Menschen davon betroffen, für die es Unklarheit gibt." Dies müsse jetzt in den Verhandlungen präzisiert werden. Und überhaupt: "Die großen Herausforderungen mit Großbritannien kommen noch." Die Briten seien "da noch in einer Findungsphase" und es gebe "noch reichlich Unsicherheit", sagte Kern.

Der Vorsitzende der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, sagte, das angeblich "großzügige Angebot" von May garantiere nicht voll die Rechte der EU-Bürger, die in Großbritannien leben. Er hoffe, dass das für Montag versprochene Positionspapier der Briten das enthalte, was die EU erwarte. Aktuell scheint es aber so zu sein, "dass die britische Regierung keine Idee hat, was sie will."

Konfrontationskurs

In der Frage der Gerichtsbarkeit hat die britische Regierung jedoch offenbar bereits klare Vorstellungen. Anders als von EU-Partnern gefordert, soll die britische Justiz und nicht der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei strittigen Fragen hinsichtlich der Rechte der EU-Bürger zuständig sein. May sprach von einem "sehr fairen und sehr ernsthaften Angebot". Am kommenden Montag werde ihre Regierung weitere Details vorlegen.

Themenwechsel

Am heutigen zweiten Tag des EU-Gipfels stehen zunächst aber einmal Beratungen über Wirtschafts- und Handelsthemen an. Angesichts des wirtschaftspolitischen Kurses von US-Präsident Donald Trump wollen die EU-Staats- und Regierungschefs nach dem Entwurf der Schlusserklärung ihr Festhalten an einem freien und auf Regeln basierten Welthandel ohne Protektionismus betonen.

Gleichzeitig will sich Europa aber auch besser gegen unfaire Handelspraktiken wie Dumping schützen. Danach geht es um die Flüchtlingskrise und insbesondere um die Lage auf der Flüchtlingsroute über das Mittelmeer nach Italien. Die EU will die Zusammenarbeit mit Libyen und die Stärkung der Küstenwache des nordafrikanischen Landes betonen und zugleich mehr Anstrengungen bei der schnellen Abschiebung und Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern fordern.

Macron kritisierte osteuropäische Staaten

Der französische Präsident Emmanuel Macron kam am Freitagmorgen mit den Vertretern der osteuropäischen Visegrad-Staaten zusammen. Er hatte in einem Interview Polen und Ungarn scharf kritisiert, ohne diese beim Namen zu nennen. Für manche osteuropäischen Staaten diene die EU nur "dazu, Geld zu verteilen - ohne ihre Werte zu respektieren", hatte er gesagt. "Aber "Europa ist kein Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!"

Zum Abschluss ihres Treffens befassen sich die Staats- und Regierungschefs mit dem Ausbau des digitalen Binnenmarkts, der Schwerpunkt der estnischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr ist. Estlands Regierungschef Jüri Ratas sagte, Europa müsse hier "Weltmarktführer" werden. Daten seien heute das, was die Kohle-und Stahlindustrie im vergangenen Jahrhundert für Europa gewesen sei.

Am ersten Gipfeltag am Donnerstag hatten die Staats- und Regierungschefs einen schnellen Ausbau ihrer militärischen Zusammenarbeit beschlossen und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise um weitere sechs Monate verlängert. Zudem forderten sie im Kampf gegen den Terrorismus von Internet-Unternehmen eine stärkere Zusammenarbeit beim Vorgehen von Propaganda der Jihadistenmiliz IS.

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