„Bisher hatten wir sehr viel Glück“

APA12280788 - 12042013 - GOLAN - ISRAEL: ZU APA 0168 AI - Vizekanzler Michael Spindelegger (r.) besuchte am Freitag, 12. April 2013, im Rahmen seiner Nah Ost Reise die auf den Golanhöhen stationierten österreichischen UNO-Truppen. Im Bild: Spindelegger bei der Besichtigung des Stützpunktes. APA-FOTO: DRAGAN TATIC
Außenminister Spindelegger besuchte das heimische Blauhelm-Kontingent.

Am Straßenrand grasen ein paar Rinder, ein Storch stakst durch das Feld, ein Hirte lehnt an einem Olivenbaum. Auf dem Golan ist Frühling, und trotzdem schwirrt die Luft schon in der Sonne. Und es ist wie oft auf der Welt: Dort, wo Nachrichten und Bilder von Spannung, Unruhe und Kampf an die Öffentlichkeit dringen, herrscht vor Ort fast ein Idyll. Kein Geschützdonner, kein Gefechtslärm, nur der Wind.

Aber die Idylle trügt. „Seit vergangenem Jahr sind permanent syrische Streitkräfte in der entmilitarisierten Zone und bekämpfen Rebellen“, erzählt Oberstleutnant Robert Glanner, stellvertretender österreichischer Bataillonskommandant auf der Position 22 an der israelischen „Alpha“-Linie. Die Aufständischen hätten sich in der Zone eingenistet oder kämen aus Dörfern und wähnten sich vor der syrischen Armee sicher. „Aber das ist nicht so. Artillerie- und Panzerbeschuss kommen sehr häufig vor“, so Glanner.

Eingeigelt

Das ist ein klarer Verstoß gegen das Abkommen, aber die UN-Blauhelme können gar nichts dagegen tun. Sie beobachten und berichten und sind sonst nur zur Selbstverteidigung befugt – mit Pistolen und Sturmgewehren. Auch wenn die UNDOF bisher nicht nicht Ziel der Angriffe sei, gebe es kollaterale Schäden, „bisher hatten wir sehr viel Glück“, erzählt der Oberstleutnant.

Die Blauhelme haben sich daher weitgehend eingeigelt. Wenn sie ihre Stützpunkte verlassen, dann nur noch in gepanzerten Fahrzeugen. Dabei treffen sie oft auf syrische Einheiten. „Die Syrer sagen dann, sie bekämpfen Terroristen und tun das zu unserer Sicherheit.“ Fünf von insgesamt 31 Positionen hat die UNDOF bisher aus Sicherheitsgründen aufgegeben.

Neben der Beobachtung der Kampftätigkeit – oft auch zwischen Rebellengruppen – leisten die Blauhelme mitunter auch humanitäre Hilfe. Etwa als jüngst zehn verwundete Rebellen und zwei syrische Soldaten neben einem Outpost abgelegt wurden, wurden die medizinisch erstversorgt.

Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger ist am Freitag über Israel auf den Golan gereist. Er besuchte das Camp Zeouani und die Position 22 der österreichischen Blauhelme, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen und den österreichischen UN-Soldaten in dieser schwierigen Situation „Unterstützung“ zu zeigen. „Ihre Arbeit wird außerordentlich geschätzt, und wir versuchen auch alles für Ihre Sicherheit zu tun“.

Verletzte Österreicher

„Bisher hatten wir sehr viel Glück“
A United Nations peacekeeper stands on an observation tower at the Kuneitra border crossing between Israel and Syria, on the Israeli occupied Golan Heights in this March 8, 2013 file photo. Israel is worried that the Golan, which it captured from Syria in 1967, will become a springboard for attacks on Israelis by jihadi fighters, who are taking part in the armed struggle against Syrian President Bashar al-Assad. REUTERS/Baz Ratner/Files (POLITICS)
Das Camp liegt am „Alpha Gate“, dem einzigen israelischen Zugang zur entmilitarisierten Zone auf dem Golan. Über dieses Tor soll im Juni auch der geplante Austausch von 180 österreichischen Blauhelmen erfolgen, weil die bisher übliche Route über syrisches Gebiet und Damaskus wegen des Bürgerkrieges zu gefährlich geworden ist. Erst im November waren zwei österreichische Blauhelme bei einem Angriff auf einen Konvoi auf dieser Route verletzt worden.Sie wurden dann über das israelische „Alpha Gate“ in Sicherheit gebracht. Noch beharrt das syrische Regime aber darauf, dass der Weg über Damaskus sicher sei.

Mehrere Nationen, die UN-Truppen auf dem Golan stellen, sehen die Lage alles andere als sicher an. Vier kanadische Blauhelme haben den Golan im September verlassen, 34 Japaner gingen im Dezember, und zuletzt zog Kroatien seine 80 Blauhelme ab – just aus dem österreichischen Abschnitt der UNDOF-Mission. Ihre Aufgabe wird jetzt teilweise von den Österreichern übernommen – bis Ersatz, möglicherweise von den Fidschi-Inseln, kommt.

„Die Kämpfe schränken uns schon ein, aber es ist zu bewerkstelligen“, sagt Karl Testor (28), seit einem Jahr auf dem Golan. „Ich fühl mich wohl, weil ich weiß, dass wir nicht das Ziel sind.“ Dennoch haben seit Jahresbeginn zehn von 375 österreichischen Blauhelmen ihren freiwilligen Dienst quittiert und sind abgereist. Manchmal auch auf Druck der besorgten Familien daheim.

Oberstleutnant Glanner ist vom Fortbestand des Einsatzes überzeugt: „Solange die UNO nicht primäres Ziel ist, ist das hier machbar.“ Vor allem auf der israelischen „Alpha“-Seite sei die Sicherheit gewährleistet, „auf der syrischen ‚Bravo‘-Seite bin ich mir da nicht so sicher“.

Es sind viele Rosen, die Österreich beim Spindelegger-Besuch in Israel gestreut wurden. „Danke für die wichtige Rolle, die Österreich als größte Gruppe der UNDOF-Mission auf dem Golan spielt, wir schätzen das sehr“, sagte Staatspräsident Shimon Peres beim Treffen mit dem Außenminister Donnerstagabend. „Danke, dass Österreich bleibt“, sagte auch Premier Benjamin Netanjahu.

Die Rosen haben einen guten Grund: Israel hat großes Interesse am Fortbestand der UN-Präsenz in der entmilitarisierten Zone auf dem Golan, die seit fast 40 Jahren Israel und Syrien auseinanderhält. Edith Rosenzweig-Abu, im israelischen Außenministerium für die UNDOF zuständig, erklärt auch, warum: Die UNO sei die einzige Verbindung zwischen Israel und Syrien; ihre Präsenz halte „die Flamme niedrig“ zwischen den beiden verfeindeten Staaten; und sie halte gerade angesichts des benachbarten Bürgerkrieges Israel aus dem syrischen Konflikt heraus, „weil keine Schüsse über die Grenze kommen, auf die wir reagieren müssten“.

Kein Angriff auf UNO

„Bisher hatten wir sehr viel Glück“
Aus israelischer Sicht ist der nördliche Sektor, in dem die Österreicher tätig sind, der „ruhigere“, auch wenn dort die Rebellen-Aktivitäten in den vergangenen Monaten ebenfalls zugenommen hätten – aber die dort aktiven syrischen Milizen seien keine Dschihadisten, im Gegensatz zum Südabschnitt der Zone. Aber auch dort richteten sich die Aktivitäten der Rebellen nicht gegen die UNO. Selbst dievorübergehende Entführung von 21 philippinischen Blauhelmensei der „Lösungsversuch“ einer Gruppe gewesen, die gegenüber dem syrischen Regime mit dem Rücken zur Wand stand. Soll heißen: Granat-Einschläge und Schüsse auf dem Golan sind Kollateralschäden des Bürgerkrieges, aber kein Angriff auf die UN-Mission.

Und wenn die UNDOF angesichts der sich verschärfenden Lage in Syrien und weiterer Kollateralschäden doch abzieht vom Golan? „Dann droht die niedrige Flamme groß zu werden.“

Aber ein Abzug ist – vorläufig – ohnehin kein Thema. Spindelegger versicherte seinen Gesprächspartnern, dass „Österreich bleibt, solange wir können. Wir sind keine Feiglinge, die, wenn es gefährlich wird, sagen: auf Wiedersehen“. Allerdings sei diese Zusage von der Sicherheitslage vor Ort abhängig. Und von der Beibehaltung des EU-Waffenembargos für Syrien (Großbritannien und Frankreich drängen ja auf eine Aufhebung, um die Rebellen mit Waffen versorgen zu können): „Wenn Europa Waffen an einen Teil des Konflikts liefert, dann werden wir Partei – und dann ist die Aufrechterhaltung der Mission sehr schwierig.“ Und dann, so Spindelegger zu Peres, „müssten wird nachdenken, die UNDOF zu verlassen“. Was, weil Österreich mit 375 Soldaten das größte Kontingent stellt, wohl das Ende der Mission bedeuten würde.

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