Dabei hatte sich ihr möglicher Nachfolger Armin Laschet nach dem Machtkampf um die Kanzlerkandidatur (viele Mitglieder wollten CSU-Chef Markus Söder) zunächst erholt, die CDU lag bei über 30 Prozent – ein „Laschet-Gewöhnungseffekt“ trat ein. Doch in der Flutkatastrophe weckte er durch Pannen „alte Vorbehalte“ an sein Herumlavieren in der Corona-Krise. Seine Lage wird Laschet so schnell nicht mehr verbessern, sagt der Meinungsforscher im Gespräch mit Auslandsjournalisten. Ein Wechsel zum beliebteren Söder hätte der Union helfen können – dafür sei es zu spät.
Es wird bereits gewählt
Mit 16. August wurden die Briefwahlunterlagen verschickt. Bei den letzten Landtagswahlen zeigte sich, dass dies coronabedingt immer mehr nützen. In Befragungen hätten ihnen viele gesagt, dass sie schon gewählt haben, sagt Güllner. Wo sie ihr Kreuz gemacht haben, wird aber nicht vorveröffentlicht. Güllner rechnet damit, dass 40 Prozent per Brief abstimmen.
Viel Zeit, um das Ruder zu drehen, bleibt den Parteien nicht. Bei den Grünen sieht Güllner wenig Chancen, über 20-Prozent zu kommen. Die Partei schoss nach Baerbocks Nominierung auf Platz eins. Sie hatte ein modernes Profil, galt als vertrauenswürdig – bis die Vorwürfe zu ihrer Vita und ihrem Buch aufkamen.
Olaf Scholz und die SPD, die mit 23 Prozent einen Punkt vor der Union liegen, haben jedenfalls von der Schwäche der anderen profitiert. Wähler von CDU und Grüne würden lieber Scholz als Kanzler nehmen – „und sagen, da nehme ich die SPD in Kauf“, sagt Güllner. Dass der Vizekanzler mit zwei Finanzskandale in Verbindung gebracht wird und nicht stolpert, liegt an der Komplexität des Themas. Versäumnisse und Zuständigkeiten wären für Wähler „nicht nachvollziehbar“, daher greife es die Konkurrenz auch nicht auf.
Zuletzt versuchte die Union vor einer Koalition aus SPD, Linke und Grünen zu warnen. Doch Koalitionsarithmetiken wären für Wähler weniger wichtig, als man in den Parteien vermutet, sagt Güllner. Die Menschen entscheiden nach Spitzenkandidat, Partei – und erwarten, dass was daraus gemacht wird. Und so wie sie zuletzt wanderten, hält er es für möglich, dass in den nächsten vier Wochen noch einiges passiert.
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