Bericht über Folter von syrischen Heimkehrern

SYRIA-CONFLICT-RECONSTRUCTION-ALEPPO
"Syrien ist nicht sicher" mahnt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Unter den Gefolterten sind auch Kinder.

Karim war aus Syrien in den Libanon geflohen. Vor der brutalen Hand des Assad-Regimes, vor den Geheimdiensten, vor der Angst, eines Tages einfach zu verschwinden, wie mittlerweile Hunderttausende andere Syrer. Doch als die Kämpfe in Syrien sich gelegt hatten, als die Terrormiliz "Islamischer Staat" besiegt war, wollte Karim wieder zurück. Immerhin sei Syrien "sein" Land. "Die Menschen im Libanon warnten mich", erinnert sich Karim. "Sie sagten, ich ginge in meinen eigenen Tod. Aber ich glaubte ihnen nicht."

Doch ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestätigt nun diese Befürchtungen. Demnach haben syrische Sicherheitskräfte Syrer und Syrerinnen, die nach ihrer Flucht in ihre Heimat zurückgekehrt sind, inhaftiert, verschwinden lassen und gefoltert.

Deshalb fordert die Menschenrechtsorganisation die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, Menschen aus Syrien internationalen Schutz zu gewähren und keine Abschiebungen nach Syrien durchzuführen.
 

Unter dem Titel „You’re going to your death“ dokumentiert die Menschenrechtsorganisation eine ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen, die von syrischen Geheimdienstangehörigen gegen 66 Rückkehrende, darunter 13 Kinder, begangen wurden. Die Betroffenen sind zwischen Mitte 2017 und Frühjahr 2021 aus dem Libanon, Jordanien, Frankreich, Deutschland, der Türkei, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Syrien zurückgekehrt

Unter anderem werden fünf Fälle beschrieben, bei denen die Betroffenen nach ihrer Rückkehr in Haft starben; in 17 Fällen von Verschwindenlassen ist der Verbleib der Vermissten nach wie vor nicht bekannt.

Heimkehrer im Visier

Rückkehrer und Rückkehrerinnen berichteten, dass Geheimdienstangehörige es gezielt auf sie abgesehen hätten, weil sie aus Syrien geflohen seien. Der Vorwurf: Illoyalität, Verrat und „Terrorismus“. „Die militärischen Feindseligkeiten mögen nachgelassen haben, aber massive Menschenrechtsverletzungen der syrischen Regierung sind weiterhin an der Tagesordnung", sagt Marie Forestier, Expertin für die Rechte von Geflüchteten und Migranten bei Amnesty International. Demnach reiche allein die Tatsache, aus Syrien geflohen zu sein, um von den Behörden ins Visier genommen zu werden.

Zeugen berichteten der NGO von Vergewaltigungen und anderen Formen sexualisierter Gewalt (unter anderem an einem fünfjährigen Mädchen), willkürlicher und rechtswidriger Inhaftierung sowie Folter und anderen Formen der Misshandlung. Amnesty hebt hervor: Frauen seien bei ihrer Rückkehr nach Syrien genauso gefährdet wie Männer.

Folter und Verschwindenlassen

Insgesamt dokumentierte Amnesty International 59 Fälle von Männern, Frauen und Kindern, die nach ihrer Rückkehr in Syrien willkürlich festgenommen wurden, meist aufgrund von weit gefassten Terrorismus-Anschuldigungen. 33 Menschen wurden in Haft oder während eines Verhörs gefoltert oder anderweitig misshandelt.

In dem Bericht dokumentiert wurden außerdem 27 Fälle von Verschwindenlassen. In fünf davon wurden die Familienangehörigen schließlich informiert, dass ihre Angehörigen in Haft gestorben waren. Fünf weitere Personen wurden freigelassen. Der Verbleib der anderen 17 Menschen ist nach wie vor unbekannt. In 27 dokumentierten Fällen wurden Rückkehrende festgehalten, um Lösegeld für sie zu erpressen. Durchschnittlich bezahlten Angehörige zwischen drei und fünf Millionen syrische Pfund (das entspricht 1.000 bis 1.700 Euro) für ihre Freilassung.

Druck zur Rückkehr

Die syrische Regierung kontrolliert inzwischen mehr als 70 Prozent des Landes, gekämpft wird nur noch vereinzelt. Die Regierung fordert bereits seit Jahren Syrer und Syrerinnen zur Rückkehr auf, in den Aufnahmeländern - etwa im Libanon und der Türkei - wird teilweise ebenfalls Druck gemacht.

Kommentare