EU-Beamte streiken gegen Sparpläne

A member of the European Parliament attends a debate on the programme of the Cypriot Presidency of the EU for the next six months at the European Parliament in Strasbourg July 4, 2012. REUTERS/Vincent Kessler (FRANCE - Tags: POLITICS)
Angeblich haben sich mehr als die Hälfte der Beamten beteiligt. In der Verwaltung sollen 2000 Stellen und viele Sonderregelungen gestrichen werden.

Heute haben mehrere Tausend Beamte der Europäischen Union gegen Einsparungen bei den Verwaltungs- und Personalausgaben der EU gestreikt. Sie protestierten kurz vor dem EU-Gipfeltreffen an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel gegen eine Verschlechterung ihrer Gehälter und Arbeitsbedingungen. Bei dem Gipfel wollen die Staats- und Regierungschefs über die EU-Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 entscheiden.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat vorgeschlagen, die Verwaltungsausgaben auf 62,6 Milliarden Euro zu kürzen, nachdem die EU-Kommission zunächst 63,2 Milliarden Euro vorgeschlagen hatte. Genaue Angaben über die Beteiligung am Streik gab es zunächst nicht. Laut EU-Ministerrat hat sich mehr als die Hälfte der Beamten beteiligt. Die internationale Mali-Konferenz war vom Streik nicht betroffen.

Brüsseler "Schlaraffenland"

Ob die Beamten auf viel Verständnis von außen hoffen können, steht freilich auf einem anderen Blatt: „4365 EU-Beamte verdienen mehr als die Kanzlerin“, titelte die Welt am Sonntag. Von einem Brüsseler „Schlaraffenland“ ist die Rede, in dem die Ober-Bürokraten mehr Gehalt bekommen als Regierungschefs. „Das ist lächerlich und falsch“, sagt ein Sprecher der Kommission zum KURIER, „da werden wieder Äpfel mit Birnen verglichen“.

Stimmt schon: Ein Vergleich ist bei unterschiedlichen Steuern und Zulagen schwierig. In der Welt-Rechnung erhielten die Beamten Kinder- und Auslandszulage, während bei Angela Merkel nicht berücksichtigt wurde, dass sie auch ein halbes Abgeordneten-Gehalt bezieht. Doch Fakt ist: Es gibt EU-Beamte, die mehr verdienen als Regierungschefs (siehe Grafiken unten). Und diese haben längst den Rotstift angesetzt.

Sparen beim Budget

Beim Budget-Gipfel diesen Donnerstag und Freitag in Brüssel sollen einschneidende Kürzungen in der Verwaltung beschlossen werden. Ein neues Beamtenstatut, das mit einigen Privilegien aufräumt, soll folgen.

„Bei den Beamten muss etwas passieren“, sagte Europa-Staatssekretär Reinhold Lopatka am Montag in Brüssel bei einem Treffen zur Gipfel-Vorbereitung.

Die Kommission wollte im EU-Budget für die Jahre 2014-2020 62 statt 56 Milliarden Euro für die Verwaltung. Die zusätzlichen sechs Milliarden wird es nicht geben, sagt Lopatka. Während Großbritannien unterm Strich ein Minus von vier Milliarden fordert, will Deutschland den Betrag einfrieren. Lopatka: „Ich orientiere mich hier an Deutschland.“

Mehr, länger arbeiten

Bereits vor eineinhalb Jahren hat die Kommission Änderungen für die mehr als 40.000 EU-Beamten vorgeschlagen, die bis 2020 eine Milliarde Euro sparen sollen: Die Zahl der Stellen soll bis 2018 um fünf Prozent gekürzt werden. Die Wochenarbeitszeit soll von 37,5 auf 40 Stunden, das Pensionsantrittsalter von 63 auf 65 angehoben werden. „Hier muss sich die Kommission auch an dem orientieren, was sie sonst von den Staaten fordert“, sagt Lopatka.

Doch bislang gibt es darüber keine Einigung zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten. Deswegen lief mit Ende 2012 auch eine Sondersteuer von 5,5 Prozent auf das Grundgehalt der EU-Beamten aus – und brachte eine zusätzliche Gehaltserhöhung.

Um ein neues Beamten-Statut zu beschließen, dürfte mehr notwendig sein als kosmetische Korrekturen. Im Visier haben Kritiker vor allem die vielen Zulagen und Sonderregelungen.

So erhalten EU-Beamte neben dem Jahresurlaub von 24 bis 30 Tagen auch noch zusätzlich (je nach Entfernung) drei bis sechs freie Tage zur Heimreise. Zusätzlich gibt es – neben den gesetzlichen Feiertagen – sogenannte Büroschließtage, quasi Betriebsurlaub: 2012 waren dies laut EU-Parlament neun Tage, darunter mehrere Tage zwischen Weihnachten und Neujahr, Gründonnerstag, der Freitag nach Christi Himmelfahrt und Allerseelen.

Zahlreiche Zulagen

Hat ein EU-Beamter zwei unterhaltspflichtige Kinder, so erhält er pro Monat eine Zulage von 745 Euro – steuerfrei. Außerdem dürfen die Sprösslinge eine der Europäischen Schulen gratis besuchen – Externe zahlen mehr als 10.000 Euro Schulgebühren pro Jahr. Dazu kommt eine Haushaltszulage zwischen 220 und 540 Euro pro Monat (je nach Gehaltsstufe). Viele kassieren in Brüssel außerdem eine Auslandszulage von 16 Prozent. Diese soll nach Plänen mehrerer Mitgliedsstaaten zunächst abgesenkt und in einigen Jahren abgeschafft werden.

Teure Agenturen

Gespart werden soll auch bei den rund 40 EU-Agenturen, die über die Mitgliedsstaaten verteilt sind. Sie befassen sich mit unterschiedlichsten Themen, von Grundrechten (in Wien) bis zur Fischereiaufsicht (in Spanien). „Das einzige, was wir nicht haben“, ätzt ein EU-Diplomat, „ist eine für Sparsamkeit.“

EU-Beamte streiken gegen Sparpläne
EU-Beamte streiken gegen Sparpläne

„Mit großer Spannung sehe ich dem EU-Treffen am Ende dieser Woche entgegen. Es geht beim Gipfel um sehr, sehr viel für Österreich und für unsere Bauern.“

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) ist nervös, er will die Subventionen der EU für die heimischen Bauern sichern. „Unsere landwirtschaftlichen Betriebe können nicht überleben, wenn es Kürzungen bei den Förderungen gibt“, sagt er mit dramatischer Stimme und fügt hinzu: „Wenn es Einschnitte gibt, können wir unsere ökologische Bewirtschaftung, die Umweltpolitik und die hochwertige Nahrungsmittelproduktion nicht mehr fortführen. Die Landwirtschaft wird dann zur Agro-Industrie.“

Geht es nach den Plänen von Ratspräsident Herman Van Rompuy, muss der Agrarbereich in der Finanzperiode 2014 bis 2020 insgesamt rund 13 Prozent Kürzungen hinnehmen.

417 Milliarden Euro sind für Europas Bauern für die Jahre 2007 bis 2014 berechnet, für die kommende siebenjährige Budgetperiode sieht Van Rompuy 362 Milliarden vor. Dieser Betrag ist noch nicht fix, erst am Ende des Gipfels wird die konkrete Summe vorliegen.

Geht es nach den Wünschen von Berlakovich, muss sich Österreichs Chefverhandler, Bundeskanzler Werner Faymann, gegen die beabsichtigten Kürzungen stemmen. Zumindest die Beträge, die Österreichs Landwirte derzeit bekommen (siehe Kasten unten), müssen gerettet werden. „Es geht ja auch um Arbeitsplätze.“

Bio-Landwirte

Ein Herzensanliegen ist dem Minister die „Ländliche Entwicklung“. Darunter fallen Förderungen für Bio-Landwirte sowie für Bergbauern. Rund vier Milliarden Euro sind derzeit dafür vorgesehen, Brüssel wollte diese Summe auf 2,9 Milliarden Euro zusammenstreichen. Gegen diese Kürzung hat sich beim Budget-Gipfel im November Bundeskanzler Faymann heftig gewehrt und zusätzlich 700 Millionen herausgeschlagen. Insgesamt bekäme der Bereich „Ländliche Entwicklung“ nach letztem Verhandlungsstand rund 3,6 Milliarden Euro.

„Aber das ist noch nicht gesichert“, befürchtet Berlakovich und appelliert an den Kanzler, alles zu tun, „um die Landwirtschaft zu retten. Wir müssen hart bleiben, bei Kürzungen sind unsere Bauern gefährdet. Das österreichische Modell der ökologischen Landwirtschaft steht dann auf dem Spiel“, erklärt Berlakovich. Er warnt den Kanzler vor „einem bösen Erwachen nach dem Gipfel“.

„Auf keinen Fall“ will er eine Umschichtung von der sogenannten ersten Säule der landwirtschaftlichen Förderungen (Direktzahlungen) in die zweite Säule (Ländliche Entwicklung) hinnehmen. „Ich bin gegen diese Vermischung.“

Die EU-Kommission erlaubt indessen Umschichtungen bis zu zehn Prozent der Summe und will so mehr Flexibilität fördern.

Gemeinsame Agrarpolitik

Europas Landwirte werden zum größten Teil von Brüssel finanziert. 2007–2013 betrug das Agrarbudget rund 41 Prozent (421 Mrd. €) des gesamten Budgets von 1035 Mrd. Euro.

Direktzahlungen

Darunter versteht man fixe Beträge für Produkte und Flächen. Aus diesem Topf bekommen Österreichs Bauern 2007–2014 rund 5,2 Mrd. €.

Ländliche Entwicklung

Österreich bekommt 2007–2014 rund vier Mrd. €.

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