Ein Belgier soll der Drahtzieher sein

Tränen und Trauer in Paris: Mit einer Schweigeminute wurde der Opfer der Anschläge gedacht.
Terror in Paris: Abdelhamid Abaaoud, 27, gilt als einer der brutalsten Schlächter des IS in Syrien.

Er soll der Drahtzieher der Anschläge von Paris sein: Abdelhamid Abaaoud, 27 Jahre alt, Belgier mit marokkanischen Wurzeln, aufgewachsen in dem als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Stadtteil Molenbeek, derzeit vermutlich in Syrien. Abbaauod gilt schon lange als der meistgesuchte Islamist Belgiens. Im Internet kursieren Videos, in denen er zum Dschihad aufruft.

Abaaoud soll die Anschläge von Paris, bei der mindestens 129 Menschen getötet und rund 350 verletzt wurden, organisiert und überwacht haben. Ende 2013 oder Anfang 2014 war Abaaoud nach Syrien gegangen, wo er als einer der brutalsten Schlächter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Erscheinung trat. IS-Propagandavideos zeigen ihn etwa am Steuer eines Autos, das vier verstümmelte Leichen hinter sich herzieht. In Belgien sorgten auch Fotos seines jüngeren Bruders Younes für Aufsehen, auf denen der 13-Jährige mit Waffen posiert. Abaaoud soll Younes überredet haben, nach Syrien zu kommen.

Terrorzelle

Der Dschihadist Abaaoud gilt auch als Hintermann einer Terrorzelle, die hinter den vereitelten Anschlägen im ostbelgischen Verviers im Jänner steckt. Nach der Razzia in Verviers – nur wenige Tage nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo in Paris – hatte Abaaoud in dem englischsprachigen IS-Magazin Dabiq versichert, dass es ihm gelungen sei, nach Syrien zurückzukehren.

Auch bekannt unter dem Namen Abu Umar al-Baldschiki, verheimlichte Abaaoud seine Anschlagspläne in der Vergangenheit keineswegs: Er rühmte sich mehrerer Terrorplanungen gegen den Westen. Diese habe er von Belgien aus und "direkt vor der Nase des Geheimdienstes" organisiert.

Abdelhamid Abaaoud soll mit mindestens einem oder auch zweien der Selbstmordattentäter von Paris befreundet gewesen sein. Alle bisher identifizierten Täter sind Belgier oder Franzosen; manche von ihnen waren arbeitslos, durch Kleinkriminalität aufgefallen, manche hatten mit ihren Eltern gebrochen. Einer hatte Berichten zufolge in Brüssel eine Bar, die wegen Drogenkonsums der Gäste erst Anfang November geschlossen wurde.

Fünf Täter identifiziert

Einer der Selbstmordattentäter aus dem Rockclub "Bataclan" stand schon einmal wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung unter Verdacht: Gegen den 28-jährigen Samy Amimour aus Drancy bei Paris wurde wegen einer versuchten Reise in den Jemen 2012 ermittelt. 2013 tauchte der Mann unter. Insgesamt sind damit nun fünf der sieben ums Leben gekommenen Attentäter von Paris identifiziert.

Sieben Terroristen sind tot – doch es wird befürchtet, dass mehrere Komplizen abtauchen konnten. Besonders im Visier der Ermittler steht dabei der 26-jährige Salah Abdeslam aus Molenbeek, dessen Bruder Brahim sich am Boulevard Voltaire in die Luft gesprengt hatte. Salah ist auf der Flucht, obwohl er längst hinter Gittern sitzen könnte: Kurz nach den Anschlägen wurden er und zwei weitere Personen nahe der belgischen Grenze in einem Auto von Polizisten gestoppt – doch man ließ sie weiterfahren. Salah Abdeslam hatte einen VW-Polo gemietet, mit dem die Bataclan-Attentäter unterwegs gewesen waren.

Die Komplizen wurden später in Brüssel festgenommen. Gegen beide wurden nun Haftbefehle erlassen. Der Vorwurf lautet, dass sie an einem terroristischen Attentat und den Aktionen einer terroristischen Vereinigung beteiligt waren.

Paris sucht EU um Beistand an

In einem landesweiten Anti-Terror-Einsatz durchsuchte die französische Polizei mehr als 150 Häuser. Dabei wurden mehrere Personen festgenommen und Waffen gesichert. Bei einer Razzia in Lyon fand die Polizei unter anderem einen Raketenwerfer. Diese und andere Präventivmaßnahmen sollen aber nicht in direktem Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Paris stehen.

Frankreich will künftig auch Syrien-Heimkehrer unter Hausarrest stellen und "drakonisch" überwachen. Ein "Rückkehr-Visum" soll zudem eine Prüfung vor der Rückreise nach Europa ermöglichen. Und Paris will offiziell die EU um Beistand bitten: Ein entsprechendes Hilfsgesuch wird am Dienstag beim Treffen der EU-Verteidigungsminister präsentiert.

Auch in Belgien erhöhte die Polizei den Druck auf die Islamisten-Szene, in groß angelegten Razzien wurden Wohnungen durchsucht. In Molenbeek waren Spezialkräfte im Einsatz – vor allem, um Salah Abdeslam zu finden. Von diesem fehlte aber weiter jede Spur.

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Kommandozentrum, Munitionsdepot, Ausbildungslager: Es war eine imposante Trefferliste, mit der Premier Manuel Valls am Montag vor die Presse trat. Französische Kampfjets hatten in der Nacht zuvor die bisher umfangreichsten Bombenangriffe auf Rakka, die Hochburg des IS in Syrien, geflogen. Von Flugplätzen in Jordanien und in den Arabischen Emiraten war etwa ein Dutzend französische Flugzeuge gestartet. In einer gemeinsamen Aktion mit der US-Luftwaffe warfen die Franzosen 30 Bomben ab.

Deren tatsächliche Ziele aber sehen, vom Boden aus betrachtet, allerdings ganz anders aus. Museen, Wohnhäuser und eine Klinik in Rakka seien getroffen worden, berichteten vom IS unabhängige Aktivisten der syrischen Opposition. Über zivile Opfer sei vorerst nichts bekannt.

Im sozialen Netzwerk Twitter allerdings macht einer dieser Aktivisten deutlich, was die Verstärkung des Bombardements für jene bedeutet, die ohnehin schon unter dem Terror des IS leiden. "Die Bewohner von Rakka sind nicht alle Mitglieder des IS", wandte er sich an "Bürger und Regierung in Frankreich: Bitte bombardiert nicht wahllos."

Der IS selbst hat sich offensichtlich schon länger auf verstärkte Luftangriffe gegen Rakka vorbereitet. Kämpfer und schwere Waffen wurden laut lokalen Beobachtern aus der Stadt abgezogen. Die Bevölkerung soll aufgefordert worden sein, Häuser in der Nähe von IS-Einrichtungen zu räumen und an den Stadtrand zu ziehen. Die IS-Propaganda gab sich dementsprechend selbstbewusst: Die französische Luftwaffe habe nur leere Häuser und Stellungen getroffen.

Ungeachtet so widersprüchlicher Erfolgsbilanzen will sich jetzt auch die britische Regierung an den Bombenangriffen in Syrien beteiligen. Bisher fliegt die britische Luftwaffe nur im Irak. Premier David Cameron forderte vom Parlament in London, die Angriffe abzusegnen. Dort gab es bisher eine klare Mehrheit dagegen.

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