Allerdings sieht er – das Völkerrecht betreffend – einen entscheidenden Unterschied: „Dieser war, dass die USA zumindest versucht haben, die Sache über UNO-Inspektoren und das System der kollektiven Sicherheit nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen zu lösen. Als das nicht geklappt hat, haben sie unilateral und damit klar völkerrechtswidrig gehandelt. Russland hat – alleine deswegen, weil es keinen begründeten Anlass gab – nicht einmal versucht, den Sicherheitsrat einzuschalten.“ Innerhalb weniger Wochen rückten die US-Truppen auf Bagdad vor, stürzten das Regime des Langzeitmachthabers Saddam Hussein und sollten bald eine Regierung nach Vorstellungen Washingtons einsetzen.
Hier ergibt sich für Janik ein weiterer Unterschied im Vergleich zur russischen Invasion: „Man muss den US-Angriffskrieg qualitativ – und damit auf einer politischen Ebene – von Russlands Krieg gegen die Ukraine trennen: Saddam Hussein war nicht einmal ansatzweise demokratisch und hat seine Bevölkerung und vor allem einzelne größere Bevölkerungsgruppen systematisch unterdrückt“, sagt er.
Daher sei der Irakkrieg zwar von unzähligen Staaten verurteilt worden, „aber so gut wie niemand hat sich für Hussein und sein Regime starkgemacht. Ebenso gab es deswegen auch keine Sanktionen: Gegen die USA waren damals viele, aber niemand war deswegen für Hussein.“ Dass weder aus dem Irak noch aus Afghanistan „Leuchttürme“ der Demokratie wurden, ist sattsam bekannt – ebenso die Folter-Verbrechen von Abu Ghraib und andere Repressalien gegen die Bevölkerung.
Speziell im Globalen Süden löste all das Besorgnis und Ablehnung aus – mit ein Grund, warum viele afrikanische und südamerikanische Staaten die Sanktionen gegen Moskau nicht mittragen wollen und auf den Irakkrieg verweisen.
Mit dem Einmarsch in den Irak, so sagen viele Kritiker, habe Washington als Gewinner des Kalten Krieges sich endgültig über das Völkerrecht hinweggesetzt, sich und seine Macht für unantastbar gehalten. Für Janik hat das bereits früher begonnen: „Die USA haben damals alle Hoffnungen auf eine geordnete Staatenwelt zu Grabe getragen. Zuvor hatten sie ja noch im Irak 1990, Somalia 1992, Haiti 1994 oder im Bosnienkrieg im Rahmen der Vereinten Nationen gehandelt.“
Der erste „Dammbruch“ sei 1999 erfolgt: „Das war die Intervention gegen Serbien, als Russland trotz der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo-Konflikt eine Autorisierung durch den Sicherheitsrat torpediert hat und die NATO dennoch eingeschritten ist“. Zwar beendete Washington damit einen blutigen Krieg. Für die UNO und die Weltgemeinschaft habe sich jedoch damals die Frage gestellt, wie man mit dem Gewaltverbot umgehen solle, wenn es im Inneren eines Staates zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommt und der Sicherheitsrat aufgrund des Vetos untätig bleibt. „Eine allgemein befriedigende Antwort gibt es bis heute nicht. Der Angriff auf den Irak 2003 war so gesehen der zweite Nagel im Sarg des Völkerrechts“, sagt Janik.
Kommentare