Afghanistan: Die USA sind weg, China und Russland rücken nach
Keine 24 Stunden, nachdem die Taliban am Sonntag in Afghanistans Hauptstadt Kabul einmarschiert waren, hat China bereits die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den neuen Machthabern angekündigt.
Zwar überraschte der rasante Siegeszug der Taliban auch die Führung in Peking. Aber China begann schon im Vorjahr damit, seine Fühler in Richtung der afghanischen Gotteskrieger wieder intensiv auszustrecken.
Denn die Volksrepublik baute darauf: Sobald die USA ihre Ankündigung wahr machen und ihre Truppen aus dem Land am Hindukusch abziehen, werden die Taliban zumindest an der Macht wieder teilhaben – und China den Weg ins Land frei machen.
Reich an Ressourcen
Aber anders als die USA will China nicht mit Militär, sondern mit Investitionen und großen Wirtschaftsplänen einrücken. Eisen, Kupfer, Lithium, Kobalt, Seltene Erden, sogar Öl – Afghanistan ist reich an Bodenschätzen. Ihr Wert wird auf bis zu 3.000 Milliarden Dollar geschätzt.
Doch sie zu heben, war bisher so gut wie unmöglich – ständige Kämpfe verhinderten den Abbau der Ressourcen. Und wo es die labile Sicherheitslage doch erlaubte, scheiterte es an der nicht vorhandenen Infrastruktur: keine funktionstüchtige Bergbauindustrie, keine Straßen, keinen Schienen.
Genau hier will sich China nun in Position bringen. Mit einem weiteren Ziel: Auch Afghanistan soll an das chinesische Mega-Projekt der „Neuen Seidenstraße“ angebunden werden.
Bei einem Treffen zwischen Chinas Außenminister Wang Yi und dem Taliban-Führer Mullah Abdul Ghani Baradar – der afghanischer Staatschef werden könnte – dürften Ende Juli bereits Nägel mit Köpfen gemacht worden sein.
Mit dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan endete „Amerikas längster Krieg“ nach 20 Jahren. 3.000 Soldaten der USA und der NATO-Alliierten starben.
47.000 afghanische Zivilisten kamen durch Kämpfe und Anschläge ums Leben sowie 66.000 Soldaten und Polizisten.
4,2 Mio. Flüchtlinge befinden sich im Land, weitere 6,5 Millionen in den Nachbarstaaten.
Was die Taliban versprechen
Gegen Geld, Kredite, Bauprojekte und chinesischen Einfluss mussten die Taliban ihrerseits versprechen: Afghanistan darf kein Zufluchtsort für islamistische Terrorgruppen mehr sein. Und besonders nicht solcher Terroristen, die China bedrohen könnten: wie etwa die „Ost-Turkestanische Islamische Bewegung“. Diese soll derzeit über 3.500 Kämpfer nahe der afghanisch-chinesischen Grenze verfügen. Viele davon sind Uiguren, also Angehörige jener Volksgruppe, die in der chinesischen Provinz Xinjiang grausam von Peking unterdrückt wird.
Die Taliban und Frauenrechte
Russland bleibt gelassen
Auch Russland würde mit den neuen Machthabern in Afghanistan gerne Geschäfte machen. Auf den Machtwechsel in Kabul reagierte man in Moskau überraschend gelassen. Die russische Botschaft in der afghanischen Hauptstadt gehört zu den wenigen, die nicht evakuiert werden. Noch gelten die Taliban in Russland als eine „Terror-Organisation“.
Doch dies könnte sich ändern, wenn die neue Führung in Kabul auch Moskau glaubhaft versichern kann, dass es keinen islamistischen Terrormilizen mehr Unterschlupf gewährt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich allerdings vorerst zurückhaltend.
Der russische Konzern Gazprom versucht schon seit mehreren Jahren, die üppigen Gasfelder an der afghanisch-turkmenischen Grenze zu erschließen. Bisher mit wenig Erfolg – ebenso wie beim geplanten Bau dreier großer Wasserkraftwerke.
Die Hoffnung Moskaus: Nach dem Rückzug der USA, die bei den russischen Projekten kräftig gebremst hatten, könnten die Pläne mit den neuen Herren über Afghanistan wieder an Schwung gewinnen.
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