Deutscher Gesundheitsminister warnt: "Haben zu wenig Impfstoff"
In Deutschland könnte es Anfang des kommenden Jahres zu einem Engpass bei Booster-Impfungen kommen. Das hat der neue deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstagabend in einem Interview mit den Tagesthemen erklärt. Demnach habe eine erste Inventur ergeben, dass es im Land aktuell zu wenig Impfdosen gibt, um der hohen Nachfrage der Bevölkerung ausreichend nachzukommen.
"Das hat viele überrascht, mich auch", erklärte Lauterbach. Er arbeite gemeinsam mit seinem Team "bereits seit Tagen" daran, noch für das erste Quartal neue Impfdosen nachzukaufen. "Ich hoffe, dass ich da in den nächsten Tagen eine positive Botschaft übermitteln kann", so der Gesundheitsminister.
Der Biontech-Impfstoff sei laut Lauterbach bereits derzeit knapp bemessen. "Wir können in der nächsten Woche 1,2 Millionen Dosen Biontech für ganz Deutschland ausliefern, in der Woche darauf 800.000 Dosen und dann noch einmal 1,2 Millionen Dosen", sagte Lauterbach am Mittwochabend im ZDF. Auch im ersten Quartal des nächsten Jahres gebe es nicht genug Impfstoff.
Das Kontingent sei für den aktuellen Bedarf deutlich zu niedrig bemessen. Die Menge sei "viel weniger als das, was die Ärztinnen und Ärzte jede Woche abrufen", so Lauterbach. Um den Impfstoff ausliefern zu können, müssten bereits die Reserven geleert werden. "Wir schütten hier alles aus. Denn die Kampagne muss ja laufen so gut, wie sie kann."
Nachbestellung
Als Reaktion will die neue Bundesregierung nun mehr als 90 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs nachkaufen. Aus der CDU kam der Vorwurf, Lauterbach rufe "Feuer", um dann Feuerwehr zu spielen.
Nun erläuterte der SPD-Politiker zu den rund drei Millionen Biontech-Dosen in den kommenden drei Wochen, er habe die verfügbare Menge gestückelt. Der Gedanke dabei sei, dass in der kommenden Woche viel, in der Weihnachtswoche etwas weniger und dann wieder mehr geimpft werde. "Mehr ist schlicht nicht da", sagte Lauterbach. "Die Ärzte, die jetzt mehr bestellen, die können wir nicht bedienen."
Der neue Gesundheitsminister sagte weiter: "Ich versuche jetzt, notfallmäßig Impfstoff aus osteuropäischen Ländern zurückzukaufen." Das dorthin gelieferte Serum könne zum Teil nicht verimpft werden. Beim Impfstoff von Moderna seien derzeit noch ausreichende Mengen vorhanden. Hier sei das Problem, dass die Mengen ab Jänner sehr stark absänken. "Was wir jetzt noch gesichert haben, das sind 1,5 Millionen Dosen pro Woche. Und somit muss ich etwas tun."
Menge nicht auf Booster-Kampagne ausgelegt
Der SPD-Politiker betonte, die Mitteilung über Impfstoffknappheit sei kein Vorwurf gegen Vorgänger Jens Spahn (CDU). Über das ganze Jahr hinweg sei auch genug Impfstoff vorhanden gewesen - aber nicht für eine sehr schnelle Boosterkampagne.
Für die Bundesvereinigung der Kassenärzte ist das ein "fatales Signal", wie ihr Vorsitzender Andreas Gassen, am Mittwoch erklärte. Man habe doch gerade erst ein Rekord-Tempo beim Impfen erreicht, "da kommt diese Nachricht", so ein konsternierter Gassen gegenüber der Bild.
Arbeitsminister Heil beschuldigt Lauterbach-Vorgänger Spahn
Auch Klaus Reinhardt, Präsident der deutschen Bundesärztekammer, gab sich am Mittwoch fassungslos: "Wenn man das hört, bleibt einem der Mund offen stehen", so Reinhardt. Zwar wurden vonseiten der Behörden immer kürzere Impfabstände empfohlen - zunächst sechs, dann vier, jetzt mancherorts sogar nur noch zwei Monate zwischen zweitem und drittem Stich - und es sei so in kürzerer Zeit immer mehr Impfstoff gebraucht worden, trotzdem sei es "völlig unvorstellbar, dass die Logistik in einem Land wie Deutschland nicht funktioniert", so Reinhardt.
Ein Schuldiger ist vonseiten der SPD bereits ausgemacht worden: So sprach am Mittwoch der neue deutsche Arbeitsminister, Hubertus Heil, davon, dass der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) "offensichtlich nicht klar Schiff gemacht" habe. Die frische Ampel-Regierung müsse nun in kürzester Zeit diese logistische Herausforderung meistern.
"Wir sind jetzt mit allen Kanälen, mit allen Mitteln dran, genug Impfstoff zu beschaffen", versicherte Heil. "Das müssen wir gemeinsam versuchen, in den Griff zu bekommen." Das mache Lauterbach als Minister nicht nur kommunikativ, sondern auch organisatorisch viel besser. Er verwies darauf, dass die neue Regierung einen Krisenstab zur Organisation der Impfkampagne und ein Expertengremium zur Beratung eingesetzt habe. "Da sind jetzt endlich Strukturen geschaffen worden, damit wir Deutschland sicher durch diesen schwierigen Winter, durch die vierte Welle bringen."
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