So hat er sich eine große Fan-Gemeinde geschaffen, die ihm nicht nur vertraut, sondern ihn zuletzt lautstark für den Posten des Gesundheitsministers forderte. Wenige Minuten, nachdem ihn der designierte Kanzler Olaf Scholz im Willy-Brandt-Haus auf die Bühne holte, twitterte Kevin Kühnert, künftiger Generalsekretär: "Nikolaus ist, wenn Wünsche erfüllt werden. Ihr wolltet ihn – ihr kriegt ihn."
Einen Tag später ist er bemüht, den Eindruck zu entkräften, die Personalie sei dem Druck im Netz geschuldet. "Er kennt sich auch mit den anderen Teilen der Gesundheitspolitik lang und gut aus (...) Er wird vielen jetzt zeigen, dass sie mit ihrer Beschreibung seiner Person als Kassandra nicht richtig gelegen haben."
Als Kassandra-Rufer bezeichnen Lauterbach jene, die von ihm genervt sind und finden, er würde nur Unheil verkünden. Andere gehen weiter und drohen ihm mit Mord. Er wird von Corona-Leugnern und Impfgegnern massiv angefeindet und bekommt Personenschutz.
Mit seiner Rolle als populärer Experte fremdeln manche in den eigenen Reihen. Zwar hat Lauterbach Medizin studiert, trägt zwei Doktor- und einen Professorentitel, aber er war zuletzt weder fachpolitischer Sprecher noch Fraktionsvize, der für das Thema zuständig ist. Und dennoch ist er das Gesicht der SPD in der Pandemie geworden.
"Steigt die Inzidenz, steigt seine Präsenz", schrieb der Tagesspiegel über seine Auftritte in den Talkshows. Sie boten ihm eine Bühne – er nutzte sie. Bereits vor Corona war er häufig zu Gast, hatte zu vielen Themen etwas zu sagen – von der Bürgerversicherung bis zur Stimmungslage in der Großen Koalition. Damit sorgt er nicht bei allen Genossen für Begeisterung. "Karlchen überall" wird er in der SPD gerne genannt.
Ihr Misstrauen hat auch einen anderen Hintergrund: 2019 versuchte Lauterbach, sonst einzelgängerisch unterwegs, mit der Abgeordneten Nina Scheer den Parteivorsitz zu übernehmen. "Die SPD muss ohne Verzug die Große Koalition verlassen. Wir können nicht zwei Jahre weiter brav mitregieren", tönte er damals. Ohne Erfolg. Die Niederlage sei ihm sehr nahe gegangen, sagte er später.
Wenige Monate später brach die Pandemie aus und Lauterbach fuchste sich in die Thematik rein. Wenn er nun das Gesundheitsressort übernommt, wird er aber noch mehr Durchhaltevermögen brauchen, als es für nächtliches Durchackern von Studien nötig ist: Als Minister steht er einem Beamtenapparat vor und Länderchefs gegenüber, die meist ihre eigenen Vorstellungen von Krisenmanagement haben. Abgesehen davon wird er die Corona-Politik der neuen "Ampel"-Regierung mittragen müssen – und die ist liberaler als zuvor. Scholz und seine Partner wollen keine bundesweite Notbremse mehr ziehen. Lauterbach war dagegen stets vehemmenter Verteidiger strengster Maßnahmen. Am Montag kündigte er an, dass Reisen zur Weihnachtszeit möglich sein soll: "Ein wichtiges Ziel muss sein, die Fallzahlen so stark herunterzubringen, dass wir, ohne die Menschen zu gefährden, Reisen empfehlen können", so Lauterbach. Dessen Namen Sie in Zukunft noch öfter lesen werden.
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