Abschied vom Golan mit Wehmut
Eigentlich unerwartet gelang Mittwoch den ersten heimischen Blauhelmen der Abzug vom Golan. Am Dienstag hatte es noch danach ausgesehen, dass der Abzug über den zerstörten syrischen Checkpoint in Quneitra scheitern könnte. Dieser Stützpunkt der syrischen Militärpolizei ist derzeit für UNO-Soldaten die einzige Möglichkeit, Syrien zu verlassen. Doch die Syrer hatten ganze Arbeit geleistet und die durch Rebellen schwer devastierte Anlage in Rekordzeit wieder nutzbar gemacht.
Mittwochfrüh: 67 österreichische Soldaten werden mit gehärteten Fahrzeugen durch das syrischen „Bravo-Gate“ und das israelische „Alpha-Gate“ gebracht. Im unmittelbar angrenzenden UNO-Camp Ziouani wird die Truppe dann gesammelt und ein Konvoi formiert.
Medien-Interesse
Vor dem Camp herrscht ein gewaltiger Medienrummel. Kamerateams der israelischen Fernsehsender und von internationalen Agenturen sind in Stellung gegangen und kämpfen um Interviews mit den Österreichern. Philippinische Wachsoldaten versperren aber den Zutritt zu den österreichischen Soldaten. Und die halten sich selbst auch bedeckt. Wegen der aufgeheizten politischen Debatte in der Heimat will keiner vor das Mikrofon.
„Sind Kämpfe gewöhnt“
Wie lange der Abzug dauern wird, weiß Soudek nicht. Er rechnet mit einigen Wochen. Soudek hat keine Angst, wieder in die Zone zu gehen. „Wir sind diese Kämpfe gewöhnt. Die waren schon viel schlimmer.“ Er ist stolz auf seine Kameraden, die bis zuletzt durchgehalten haben. Kein Einziger ist „geflüchtet“.
Der überraschende Abzug trifft jene Gruppe kaum, die ohnehin schon am Ende der Einsatzdauer gestanden ist. Anderen hingegen bringt der Rückzug die Lebensplanung durcheinander. Und zwar jenen, die den erwarteten Verdienst bereits für Wohnungs- oder Autokauf eingeplant haben.
Bei den abziehenden Soldaten handelt es sich um diejenigen, die für die Auftragserfüllung nicht unmittelbar benötigt werden. Etwa jenen Überstand an Personal, der zur Abfederung der Urlaube benötigt wird. Denn der Beobachterauftrag und die Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Stützpunkten müssen bis zum letzten Tag gewährleistet sein.
Für den Bataillonskommandanten, Oberstleutnant Paul Schneider, und seine Kameraden ist der Abzug eine gewaltige logistische Herausforderung. Nicht nur die verbliebenen 320 Soldaten müssen geordnet aus der Zone gebracht werden. Auch große Mengen an Gerät müssen abtransportiert werden.
Gegen 9 Uhr beginnt die politisch so bedeutsame Fahrt mit acht Autobussen und einigen Begleitfahrzeugen. Mit Wehmut geht es vorbei an einem großen Schild am Lagertor, das eine weiße Taube zeigt. Darauf ist zu lesen: „UNDOF MISSION, In Service of Peace since 1974“. Fast 40 Jahre lang waren es Österreicher, die den Großteil der Friedensarbeit geleistet haben.
Viele wollten bleiben
Die Fahrt geht durch das Jordan-Tal Richtung Tel Aviv. Vorbei an jener Kurve, wo 1978 drei ihrer Vorgänger in den Trümmern eines abgestürzten Lkw starben. Am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv wartet bereits eine UNO-Chartermaschine.
Für den Empfang zu Hause (siehe rechts) haben die Soldaten vereinbart, dass nur einer von ihnen stellvertretend für alle vor die Presse treten wird. Sie wollen nicht zwischen die politischen Fronten geraten. Nur eines sagen alle recht offen: Ihre Forderung war der Abzug nicht.
„67 Golanis zur Begrüßung angetreten“, meldete Hauptmann Erwin Klem die Ankunft der Blauhelme Mittwochabend dem Bundeskanzler und dem Verteidigungsminister. Einem Staatsempfang ähnlich wurden die Soldaten empfangen. Werner Faymann und Gerald Klug bedankten sich bei den Soldaten für ihre Professionalität, ihr mutiges Engagement und ihre Leistung im Dienste des Friedens.
Die ÖVP bezeichnete die Zeremonie am Airport als „Überinszenierung“.
In einer von der UNO gecharterten Maschine kamen die Soldaten in Wien an. Für sie ist es kein frühzeitiger Abzug, sondern die geplante Rotation der Truppe. Rund 300 österreichische Soldaten sind noch am Golan, sie sollen in spätestens vier Wochen nach zurückkehren.
Faymann und Klug lag viel daran, den Abzug zu erklären. „Der syrische Bürgerkrieg wird mittlerweile auch im Einsatzgebiet der UNO-Soldaten ausgetragen, die Gefahr, dass unsere Friedenssoldaten zwischen die neuen Fronten geraten, ist zu groß“, sagte der Kanzler.
Unfair
Klug stellte sich schützend vor seine Soldaten und ging auf die Kritik am Abzug ein. Vorwiegend in sozialen Medien werden die Soldaten unter anderem als „Weicheier“ und „Feiglinge“ beschimpft.
Das sei unfair, „absolut nicht gerechtfertigt. Die Leistung der Soldaten ist ausgezeichnet“, lobte Klug. „Die Gefahr ist jetzt unkalkulierbar geworden.“ Das Leben von Soldaten wolle er nicht riskieren. Kritik übte der Verteidigungsminister an der UNO, die – trotz Ersuchens vieler Mitglieder – das Mandat des Einsatzes nicht verstärkt und die Ausrüstung nicht verbessert hat. „Die UNO hat einfach nicht reagiert“, betonte Klug.
Hauptmann Klam akzeptiert den Rückzug. „Das ist eine politische Entscheidung.“ Persönlich war er „nie in Gefahr“, er gibt aber zu, dass sich die Lage verschärft habe. „Auch andere Nationen zogen die Truppen zurück.“
Fidschi-Inseln
Wie der KURIER bei der UNO in New York erfuhr, wurde Österreich ersucht, einige Stabsoffiziere, Ärzte und Sanitätern am Golan zu lassen. Das Ansuchen werde derzeit in Wien geprüft.
Zugleich wurde bekannt, dass UNO-Soldaten von den Fidschi-Inseln das österreichische Kontingent ersetzen könnten. Auch die Philippinen wollen mehr Soldaten schicken. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon schlug eine Verstärkung der Golan-Mission auf 1250 Mann vor. Das Mandat solle aber auch robuster werden.
Bestätigt wird in Wien, dass bestehende Missionen, wie der NATO-geführte Kosovo-Einsatz, durch Österreicher verstärkt werden soll. Möglich wäre auch eine Teilnahme an der EU-Mission „Atalanta“ zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia oder auch in Mali, wo bereits Soldaten stationiert sind.
Nach der Rückkehr aller Soldaten vom Golan dürfte Österreich rund 900 Soldaten in internationalen Missionen eingesetzt haben. Das Ziel der Regierung sind 1100 Soldaten in Auslandseinsätzen.
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