Das Ende einer Erfolgsgeschichte

epa03734817 A UN peacekeeper watches with binoculars the Quneitra crossing (pictured in the backround), the only crossing between the Israel and Syria, in the Golan Heights, 07 June 2013. Clashes erupted on 07 June between Syrian government troops and rebels at a border crossing near the Israeli-occupied Golan Heights, activists said, a day after Damascus said it had regained control of the outpost. The pro-opposition Syrian Observatory for Human Rights, a Britain-based group monitoring the situation inside Syria, said fighting was raging in the town of Quneitra on the Syrian side of the Golan Heights. EPA/ATEF SAFADI
Die Menschen in Israel und Syrien reagieren auf den Abzug der Österreicher mit höchster Besorgnis.

Während der Kämpfe um die syrische Grenzstadt Quneitra zwischen Rebellen und Assad-Truppen ist das trockene Gras zwischen den Häuserruinen verbrannt. Eine dicke Rußschicht bedeckt das Schlachtfeld. Dort, wo am Vortag noch Kampfpanzer in Häuser feuerten, herrscht nun gespenstische Ruhe. Niemand weiß, wem die Stadt nun gehört.

Solange die Situation nicht geklärt ist, bleiben die 34 österreichischen Blauhelme in ihren Bunkern. Einen Auftrag, der durchzuführen wäre, gibt es derzeit ohnehin nicht. Denn ein Bürgerkrieg ist von der UNO-Resolution zur Überwachung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Syrien nicht erfasst.

Einzelgefechte

Die Schlacht um die Stadt hat sich aufgelöst und in zahlreiche Einzelgefechte auf das umliegende Golan-Hochplateau verlagert. Am Samstag waren südlich noch vereinzelte Feuerstöße zu hören. Noch weiter südlich schoss schwere Artillerie. Und Flächenbrände etwa vier Kilometer nordöstlich von Quneitra lassen dort ebenfalls auf eine Auseinandersetzung schließen.

Samstag wagten sich auch wieder die ersten israelischen Zivilisten an die nahe Demarkationslinie. Mit Feldstechern „bewaffnet“ diskutierten sie heftig die Frage, was nun passiert, wenn die UNO da drüben rausgeht. Dass Österreich abziehen will, und die UNO noch keinen adäquaten Ersatz hat, hat sich inzwischen zu allen Israelis durchgesprochen. Es bereitet den Menschen Sorge. Sie wollen nicht leben wie an der Grenze zum Südlibanon, wo jeden Tag Granaten herüberfliegen können.

Ähnlich sehen es die Menschen in Syrien. Ein Souk-Händler in Damaskus erklärte einmal: „Wir können nur ruhig schlafen, solange die Österreicher am Golan sind.“ Er meinte damit, dass ihnen die Anwesenheit der Österreicher die Angst vor einem israelischen Überraschungsangriff nimmt. Dass ein Bürgerkrieg ausbricht, konnte er nicht wissen.

Schlusspunkt

Die offiziell geäußerte Besorgnis der israelischen Regierung um den österreichischen Abzug entspricht der Stimmungslage in beiden Ländern. Die 34 auf den Positionen 22 und 27 eingebunkerten Blauhelme und ihre etwa 350 Kameraden in der Zone sind somit der Schlusspunkt unter einer 40-jährigen rot-weiß-roten Erfolgsgeschichte im Nahen Osten.

Dabei wurden die ersten Österreicher am Golan gerade von der israelischen Seite anfänglich nur mit Vorbehalt akzeptiert. Das hing zusammen mit der palästinenserfreundlichen Außenpolitik des österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Damals titelte die Jerusalem Post: „Der abtrünnige Jude vom Ballhausplatz.“ Auch die damals nicht bewältigte NS-Vergangenheit spielte noch eine Rolle. Die UNO-Soldaten der ersten Jahre bekamen das zu spüren.

Davon ist heute keine Rede mehr. 40 Jahre lang schafften es die Österreicher, aufkeimende Feindseligkeiten auf beiden Seiten mit diplomatischem Geschick und fallweise auch persönlichem Wagemut in den Anfängen zu ersticken und so die Eskalation zu verhindern. Ein Beispiel: Ein israelischer Soldat schoss nach einem Gelage aus seiner Stellung bei Quneitra mit seinem überschweren Maschinengewehr wahllos in die syrische Nacht hinaus. Dass mehr als einen Kilometer entfernt gerade eine UNO-Patrouille marschierte, konnte er nicht wissen. Die UNO-Soldaten wurden von den benachbarten Österreichern mit einem Schützenpanzer M-113 evakuiert, die Israelis arretierten den Rambo. Wäre dort eine syrische Patrouille marschiert, hätten die Syrer das Feuer erwidert. Die Folge wäre ein Krieg gewesen, den keiner wollte.

Schmähungen

Die österreichische Öffentlichkeit hat diese Leistungen nur marginal wahrgenommen. Wenn die letzten Blauhelme ihre Bunker verlassen, sehen sie sich im Internet konfrontiert mit einer Flut von Schmähungen. In zahnlosen Postings werden sie dargestellt als geldgierige „Kriegstouristen“, die sofort den Rückzug antreten, wenn es gefährlich wird. Nach der offiziellen UN-Statistik sind 44 österreichische Blauhelme – ohne Unfälle, Krankheiten, Suizide – bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen. Allein 23 am Golan.

Österreich solle ermuntert werden, seine Soldaten langsamer als geplant vom Golan abzuziehen. Das sagte der derzeitige Präsident des UNO-Sicherheitsrates, der britische Botschafter Mark Lyall Grant, nach einer Sondersitzung des Sicherheitsrates Freitag in New York.

Österreich will diesem Wunsch aber nicht nachkommen. Auf KURIER-Anfrage, hieß es gestern im Verteidigungsministerium, der Plan sei, die Soldaten innerhalb von zwei bis vier Wochen heimzuholen. „Daran werden wir auch festhalten“, erklärte ein Sprecher von Minister Gerald Klug (SPÖ).

Auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) verteidigte gestern einmal mehr die Entscheidung. Es würden mittlerweile Kampfhandlungen ohne Rücksicht auf die UNO stattfinden. Die syrische Seite respektiere nicht, „dass die UNO unantastbar ist“, sagte Spindelegger im ORF-Radio.

Sein Parteikollege, Tirols Landeshauptmann Günther Platter, sieht den Abzug hingegen kritisch. „Selbstverständlich geht die Sicherheit der Soldaten vor, aber nur aus einem Bauchgefühl heraus zu entscheiden, ist falsch“, befand der Ex-Verteidigungsminister in der Tiroler Tageszeitung. Er forderte Klug auf, den Beschluss nochmals genauestens zu prüfen.

Den Vorwurf, der Beschluss hänge mit der Nationalratswahl im Herbst zusammen, wies Spindelegger zurück: „Wir sind nach wie vor im Südlibanon, wo es genauso brenzlig ist – und werden dort auch bleiben.“

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