Türkei macht Weg frei für NATO-Beitritte: Der historische Aufrüstungsplan

Türkei macht Weg frei für NATO-Beitritte: Der historische Aufrüstungsplan
Um die Ostflanke zu sichern, wird das Truppenkontingent der schnellen Eingreiftruppe verzehnfacht. Besonders die baltischen Staaten wird das freuen.

Die Türkei hat ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in das Militärbündnis NATO  aufgegeben. Ankara werde  die Einladung an die beiden Länder unterstützen, Bündnismitglied zu werden, teilte der finnische Präsident Sauli Niinistö am Dienstag am Rande eines Gipfels in Madrid mit. Ein entsprechendes Memorandum sei nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan unterzeichnet worden.
 

Bereits am Montag hatte die NATO eine historische Entscheidung angekündigt: Die schnelle Eingreiftruppe des Militärbündnisses, die   NATO Response Force (NRF), soll von rund 40.000 internationalen Soldaten innerhalb eines Jahres auf 300.000 Mann aufgerüstet werden. Das neue Konzept dient laut Stoltenberg als „Blaupause   in einer zunehmend gefährlichen und unberechenbaren Welt“.

Seit 19 Jahren besteht die NRF bereits, die ihr zugeteilten Truppen sind für den Einsatz in überraschenden, militärischen Ernstfällen vorgesehen. Am 21. Februar 2022 kam sie für diesen Zweck erstmals zum Einsatz: Angesichts der drohenden russischen Invasion in der Ukraine verlagerte die NATO knapp 30.000 NRF-Truppen an die sogenannte Ostflanke, also die Landesgrenzen des NATO-Gebiets zu Russland und dem Kriegsgebiet Ukraine.

Die USA stationierten zusätzlich noch große Truppenkontingente in mehreren europäischen Ländern, die meisten davon in Deutschland. Insgesamt befinden sich also aktuell mehr als 100.000 US-Truppen in Europa.

Die NATO - kurz erklärt

Angst am Baltikum

Dass es jetzt nochmals deutlich mehr werden sollen, liegt auch an der aufgeheizten Stimmung in den verletzlichsten Mitgliedsstaaten der NATO: Estland, Lettland und Litauen. Die baltischen Staaten fürchten eine russische Invasion auf ihrem Gebiet, seit Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte.

Seit der vergangenen Woche haben sich die Spannungen mit Russland aber noch einmal verstärkt: Aufgrund der neuesten EU-Sanktionen verbot die Regierung Litauens den Transitverkehr bestimmter Baugüter per Bahn durch litauisches Staatsgebiet – und unterband damit die einzige Möglichkeit für Russland, seine Ostsee-Exklave Kaliningrad auf dem Landweg zu versorgen.

Türkei macht Weg frei für NATO-Beitritte: Der historische Aufrüstungsplan

In Moskau sprach man von einer „Blockade“ und drohte sofort mit „umfassenden“ Vergeltungsmaßnahmen. Es kam zu Cyberangriffen und Luftraumverletzungen durch Helikopter.

Als südlichstes Land des Baltikums gilt Litauen als erstes potenzielles Angriffsziel einer russischen Aggression. Denn dort und in Polen befindet sich die sogenannte „Suwalki-Lücke“, die das russische Territorium Kaliningrad und den russischen Verbündeten Belarus durch ein knapp 65 Kilometer breites Gebiet verbindet.

Sollten hier russische und belarussische Kräfte einmarschieren, könnten diese das Baltikum von Polen und dem Rest der NATO-Staaten abschneiden. Für die Balten ein Horrorszenario, das mit der derzeitigen NATO-Truppenstärke im Baltikum nicht zu verhindern wäre, heißt es von den Regierungschefs. Estlands Premierministerin Kaja Kallas fordert deshalb seit Wochen lautstark mindestens 25.000 NATO-Soldaten – in jedem der drei baltischen Staaten.

Deutsche Aufrüstung

Es scheint so, als bekäme Kallas ihren Willen, wenn auch nicht ganz so, wie erhofft. Die geplante Aufrüstung der NRF wird vor allem in Deutschland stattfinden, wo ein Großteil der Truppen stationiert bleiben wird und nur im Ernstfall an die Ostflanke entsendet werden soll. Bundeskanzler Scholz erklärte am Dienstag bereits stolz, in seinem Land entstehe damit künftig „die größte konventionelle Armee im NATO-Rahmen in Europa“.

Die US-Regierung will ihr ohnehin schon schlagkräftiges Truppenkontingent in Europa zudem weiter erhöhen, heißt es. Details werde man am Mittwoch beim NATO-Gipfel bekannt geben, mehr US-Soldaten an der NATO-Ostflanke gelten aber als sicher. Die Balten wird es freuen.

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