130 auf der Autobahn wird zum Wahlkampfthema in Deutschland

130 auf der Autobahn wird zum Wahlkampfthema in Deutschland
Der Klimawandel heizt den ewigen Streit ums Tempolimit auf deutschen Autobahnen erneut an.

Es ist ein politischer Dauerbrenner mit eingebautem Aufregerpotenzial - und belebt wieder einmal den deutschen Bundestagswahlkampf, Auflage 2021: Soll auf deutschen Autobahnen doch noch ein generelles Tempolimit kommen, über das seit Jahrzehnten so erbittert gestritten wird? SPD, Grüne und Linke machen sich dafür stark - Union, FDP und AfD sind weiter strikt dagegen.

Klimaschutz als Stimmungsmacher

Diese traditionelle Frontstellung führte bisher immer wieder dazu, dass sich nichts änderte und die sprichwörtliche freie Fahrt weiterhin gilt. Kann das große Thema Klimaschutz diesmal womöglich überraschende Bewegung auslösen?
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zog für den Wahlkampf schon mal eine deutliche Abwehrlinie: „Die Argumentation für ein generelles Tempolimit ist ein politisches Kampfinstrument, für manche sogar ein Fetisch“, sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Bürger können sich bei der Wahl entscheiden, ob sie die Freiheit bei der Mobilität haben wollen - oder Beschränkungen und Verbote. Und da sind die Grünen ganz vorne.“

Klimaziele als Argument

Befürworter eines Tempolimits wie etwa auch die Deutsche Umwelthilfe argumentieren, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen, müsse vor allem im Verkehr massiv Kohlendioxid (CO2) eingespart werden. Und die Maßnahme mit dem höchsten Einsparpotenzial sei ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde (km/h) auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und 30 km/h innerorts. Außerdem erhöhe ein Tempolimit massiv die Verkehrssicherheit durch weniger Unfälle.

Sicherste Straßen der Welt


Scheuer konterte: „Die deutschen Autobahnen sind die sichersten Straßen der Welt. Wir haben eher Probleme bei der Verkehrssicherheit auf Landstraßen, darauf muss unser Fokus liegen.“ Überhaupt gebe es auf etwa einem Drittel des Autobahnnetzes schon jetzt Tempolimits, die Durchschnittsgeschwindigkeit liege bei 117 km/h. Das System der empfohlenen Richtgeschwindigkeit von 130 habe sich bewährt.
Dazu komme die technologischen Entwicklung: „Mit alternativen Antrieben, Automatisierung und autonomem Fahren wird die Durchschnittsgeschwindigkeit ohnehin sinken“, sagte Scheuer. „Ein Fahrer eines Elektroautos weiß ganz genau: Wer zu oft das Tempo wechselt oder zu sehr Höchstgeschwindigkeiten fährt, ist schnell mit der Reichweite seines Auto am Ende.“

Auch CDU-Spitzenkandidat dagegen

Mit Blick aufs Klima hatte CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ein generelles Limit von 130 abgeschmettert. „Warum soll ein Elektro-Fahrzeug, das keine CO2-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen? Das ist unlogisch“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Contra Tempolimit sind auch die AfD und die FDP.
Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte am Montag: „Statt pauschaler Tempolimits müssen wir die Chancen der Digitalisierung ergreifen. Intelligente Leitsysteme und eine vernetzte Infrastruktur ermöglichen situative Beschränkungen, etwa nach Unfällen, bei viel Verkehr oder Extremwetterlagen.“ Bei gut ausgebauten, freien Autobahnen ohne Verkehr brauche es dagegen kein Tempolimit.

Tempo 30 im Ortsgebiet

Im Wahlprogramm der SPD heißt es dagegen: „Wir werden ein Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen einführen. Das schützt die Umwelt und senkt die Unfallzahlen deutlich.“ Die Grünen wollen das Verhältnis von Regel und Ausnahmen umkehren, um mehr Sicherheit auf den Straßen zu erreichen: Innerorts solle Tempo 30 die Regel sein, auf Autobahnen ein „Sicherheitstempo“ von 130 gelten. „Wenn besondere Gründe es notwendig machen, wie beispielsweise in und um Städte oder Ballungsgebiete, dann gelten maximal 120 km/h.“ Auch die Linke will Limits, um Menschen und Klima zu schützen: 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen, innerorts 30 km/h als Regelgeschwindigkeit.
Derzeit gilt auf dem Großteil der Autobahnen nach wie vor freie Fahrt - auf 70 Prozent des Netzes. 

Kommentare