Ist ein russischer Atomangriff auf Europa jetzt wahrscheinlicher geworden?
Nein. Die aufsehenerregende Sendung wurde in Russland schon am Donnerstag ausgestrahlt, erregte im Westen zunächst aber noch wenig Aufmerksamkeit. Erst am Wochenende ging dann ein Tweet der US-amerikanischen Journalistin Julia Davis viral, die als Betreiberin des Russia Media Monitor regelmäßig die Berichterstattung in Russland beobachtet.
Die in der Sendung gezeigte Karte ist offenbar von einem unbekannten Twitter-Nutzer erstellt worden, in der Sendung betonte eine Moderatorin zudem, dass sich zur Zeit „noch keine“ Atomsprengköpfe in Kaliningrad befinden. Auch aus dem Kreml hatte es zuletzt keine neuen Drohungen gegeben.
Warum wird im Staatsfernsehen über so einen Angriff spekuliert?
Die meisten russischen Medien sind mittlerweile gleichgeschaltet und berichten enorm regierungstreu. Auf Staatsmedien wie die TV-Sendergruppe Rossija trifft das besonders zu. Der Studiogast, der in der Sendung so zügellos einen Atomanschlag forderte, ist der russische Politiker Alexej Schurawljow, Vorsitzender der kleinen, rechtsextremen Partei Rodina. Seine Fraktion war 2003 von Vertrauten Putins gegründet worden und stellte bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen keinen eigenen Kandidaten, sondern unterstützte Putins Kampagne.
Schurawljows wilder Auftritt dürfte wohl dazu gedacht gewesen sein, im Westen für Angst und Schrecken zu sorgen. Denn auch wenn die Moderatoren ihn zunächst zu bremsen versuchten ("Verstehen Sie, dass einen solchen Atomkrieg, wie Sie ihn hier androhen, niemand überleben wird?"), hatten sie ja letztlich doch die passende Karte im Studio vorbereitet.
Könnte Putin einfach auf "den Knopf" drücken?
Würde das russische Militär tatsächlich planen, europäische Städte mit Atomraketen anzugreifen, würden westliche Geheimdienste das höchstwahrscheinlich im Vorhinein mitbekommen. Es müssten Vorbereitungen getroffen werden, zudem mehrere militärische Entscheidungsträger zustimmen, nicht nur Putin alleine. Das würden sie wohl tun, es würde aber dauern. Ein spontaner, überraschender Atomangriff ist also kaum möglich.
Wie ist Europa vor einem Atomangriff geschützt?
Seit der Zeit des Kalten Krieges sind in Polen für genau so einen Fall US-amerikanische Raketenabwehrsysteme stationiert, die auch immer wieder modernisiert wurden. Das dazugehörige Spezial-Radar für Atomraketen steht in Rumänien. Einen Abschuss würden diese Systeme also wohl bemerken – man geht davon aus, dass sie einzelne Atomraketen auch abfangen könnten. Im Ernstfall wurde das aber noch nie getestet.
Zudem hat Russland erst Anfang April eine neue Form von Interkontinentalrakete, den sogenannten Typ Sarmat, präsentiert. Laut Putin könne sie "jede Raketenabwehr der Welt" überwinden. Westliche Militärs bezweifeln das.
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