Schallenberg zu Ukraine: "Keine Beitrittskandidaten Erster und Zweiter Klasse"

Außenminister Alexander Schallenberg
Der Außenminister über die EU-Beitrittswünsche der Ukraine, seinen Vorschlag eines Stufenplans und die Gefahr, auf einem Auge blind zu sein

Für die Ukraine könnte heute die erste Tür in Richtung EU-Beitritt aufgehen. Denn am Freitag soll sie kommen, die Empfehlung der EU-Kommission, ob die Ukraine Kandidatenstatus erhalten soll oder nicht. Das letzte Wort darüber aber haben die Staats- und Regierungschefs eine Woche später beim EU-Gipfel. Und dort sind die Meinungen geteilt.

Außenminister Alexander Schallenberg erklärt, warum die EU ihren Blick trotz des Krieges nicht nur auf die Ukraine richten sollte.

KURIER: Die osteuropäischen Länder fordern vehement den Kandidatenstatus für die Ukraine. Österreich ist da viel zurückhaltender. Warum eigentlich?

Alexander Schallenberg: Wir sind nicht zurückhaltend, sondern weisen darauf hin, dass wir in unserer Nachbarschaft eine geopolitische Verantwortung tragen, die über die Ukraine hinaus geht. Und zweitens: Geht es hier nur um Symbolpolitik? Was geschieht danach? Wir wollen Moskau ja das Signal geben, dass die Ukraine zur europäischen Familie gehört. Da muss man überlegen, ob man mit einem Symbolakt wie dem Kandidatenstatus das Auslangen findet.

Soll es ein Junktim geben? Ein Ja zum Kandidatenstatus der Ukraine nur, wenn auch die Staaten des Westbalkans näher an die EU herangeführt werden?

Wir dürfen nicht in einen geostrategischen Tunnelblick verfallen, sondern müssen auch in den Südosten Europas schauen. Wir müssen aufpassen, welche Signalwirkung wir setzen – nämlich den Eindruck vermeiden, da stünden die einen Länder auf dem Pannenstreifen, und das schon seit Jahren, und die Ukraine zieht an ihnen vorüber. Es darf keine Beitrittskandidaten Erster und Zweiter Klasse geben. Nordmazedonien ist schon seit 17 Jahren Beitrittskandidat, hat für die Annäherung an die EU sogar seinen Namen geändert. Und noch immer wartet es auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Wir sind jedenfalls dafür, dass wir den Balkan auf dieser Reise mitnehmen.

Also doch ein Junktim?

In gewisser Weise schon. Der Balkan ist nicht der Hinterhof, sondern der Innenhof der Europäischen Union. Wir dürfen nicht auf einem Auge blind sein. Russland hat auch außerhalb der Ukraine die Möglichkeit, ein Störfaktor zu sein. Es könnte, auch nur ohne einen Schuss abzugeben für Unruhe auf dem Balkan sorgen. Darum liegt es in unserem Interesse, die gesamte Nachbarschaft mitzudenken.

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