Und geblieben sind auch Methoden, unliebsame Dissidenten auch im Ausland zu verfolgen, einzuschüchtern – und zu ermorden. Offenbar jüngstes Opfer des tödlichen langen Arms aus Minsk ist der junge Aktivist Witali Schischow.
Vor einem Jahr war er nach Kiew geflohen. Wie jeden Morgen war der Gründer einer Hilfsorganisation am Montag zu einer Joggingrunde gestartet. Doch er kam nicht zurück. Freunde riefen sofort die Polizei, denn Schischow hatte in den vergangenen Tagen mehrmals berichtet, dass er sich verfolgt fühlte.
Auch der ukrainische Geheimdienst hatte das Team um Schischows „Weißrussisches Haus in der Ukraine“, das geflohene Regimegegner versorgte, eindringlich gewarnt: Ein Netzwerk von weißrussischen KGB-Agenten sei in der Ukraine aktiv.
In der Nacht auf Dienstag wurde Witali Schischow schließlich in einem Park unweit seiner Wohnung gefunden. Aufgehängt auf einem Baum. Mit gebrochener Nase und anderen Spuren von Gewalteinwendung im Gesicht.
Bei ihren Ermittlungen geht die Polizei nun speziell dem Verdacht nach, dass es sich um einen als Suizid getarnten Mord handeln dürfte. Eine Methode, die Weißrusslands Männer fürs Grobe offenbar schon früher angewendet haben: Etwa vor einem Jahr, kurz nach den gefälschten Präsidentenwahlen, fand man Konstantin Shishmakov im Wald auf einem Baum hängend. Der 29-jährige Direktor eines kleines Museums hatte sich geweigert, ein gefälschtes Wahlprotokoll zu unterzeichnen.
Tausende Weißrussen sind seit den Wahlen im vergangenen August aus dem Land geflohen. Diktator Lukaschenko hat seine Macht mit aller Gewalt zementiert. Wer demonstriert, wird niedergeknüppelt oder eingesperrt. Der bisher letzte der aktuell 605 politischen Gefangenen im Land ist ein
22-Jähriger, der in der Vorwoche zu drei Monaten Haft verurteilt wurde: Sein Vergehen: Er hat einen Lukaschenko-kritischen Spruch auf eine Wand geschrieben.
Tausende geflohene Weißrussen in der Ukraine, in Litauen, in Polen, selbst in Österreich haben die mörderische Botschaft des Regimes in Minsk verstanden: Sie sollen sich nirgends sicher fühlen.
Das hatte kurz zuvor auch Kristina Timanowskaja zu spüren bekommen. Die junge Olympiateilnehmerin, die es gewagt hatte, in Tokio ihren Trainer zu kritisieren, hätte offenbar zur Strafe sofort nach Weißrussland zurückgeflogen werden sollen.
Dort, so ihre Befürchtung, hätten ihr harte Sanktionen gedroht: Doch sie bat um Hilfe – und erhielt ein humanitäres Visum aus Polen. Ihr Mann war bereits tags zuvor in die Ukraine geflohen.
Anders als im Fall des nun erhängt aufgefundenen Witali Schischow, wo die Führung in Minsk jede Verwicklung brüsk von sich weisen wird, war im Fall Roman Protassewitschs die düstere Rolle der weißrussischen Führung immer klar.
Sie hatte Ende Mai jenes Flugzeug entführen lassen, in dem der junge Blogger gesessen war. EU und USA antworteten auf die dreiste Luftpiraterie mit Sanktionen. Weitere internationale Strafmaßnahmen könnten folgen. Doch für Tausende, aus Weißrussland geflohene Menschen wird dies nichts ändern: Die Angst wird immer dabei sein.
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