Bei der Bekämpfung des Antisemitismus muss ein paar Gänge höher geschalten werden
In einem aktuellen Fall, bei dem es um antisemitische Hetze geht, spricht die Disziplinarkommission im Bundeskanzleramt von "nationalsozialistischem Unfug". Zynisch könnte man sagen: Erstaunlich, dass nicht gleich von "Bubenstreich" die Rede war. Immerhin bezieht sich der Fall auf die Verbreitung von Videos, in denen eine Moschee gesprengt wird oder ein Mensch durch einen Stromschlag ums Leben kommt.
Weil im Bundesheer derlei "Unfug" schon öfters vorgekommen ist, hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) im Vorjahr eine Art "Null Toleranz"-Edikt erlassen. Angesichts des Ergebnisses hätte sie auch "milde Abmahnung" sagen können.
Dabei muss Österreich bei der Bekämpfung des Antisemitismus eigentlich ein paar Gänge höher schalten. Erst kürzlich wurde der aktuelle Antisemitismus-Bericht des Parlaments veröffentlicht. Demnach glaubt ein Drittel der Menschen in Österreich, dass Juden einen Vorteil aus der Nazizeit zu ziehen versuchen, und dass Juden die internationale Geschäftswelt beherrschen oder verantwortlich für die Inflation sind.
Der Antisemitismus kommt hierzulande traditionell stark von rechts, aber (in diffuserer Form) auch von links (die bösen Börsekapitalisten an der Wall Street). Und es gibt ihn massiv bei Migranten aus dem arabischen Sprachraum und der Türkei. Hier wirkt die israelische Politik gegenüber den Palästinensern als Verstärker für Hass und Intoleranz.
Pläne der Politik packen Problem nicht bei der Wurzel
Im Alltag sieht der Antisemitismus so aus, dass in Wien etwa männliche jüdische Mitbürger mittlerweile ihre Kippa unter einer Baseballkappe verstecken, wenn sie alleine unterwegs sind. Aus Angst davor, als Jude erkannt und attackiert zu werden. Wir sind im Jahr 2023; nicht 1938.
Die Pläne der Politik, wie aktuell ein verpflichtender Besuch von Schulklassen in einem ehemaligen Konzentrationslager, sind ehrenwert. Sie packen das Problem aber nicht bei der Wurzel. Vorurteile und Stereotypen baut man nur im direkten Umgang mit dem Feindbild ab. Für alle Jugendlichen in Österreich wären daher ein paar Sozial-Monate in einer jüdischen Einrichtung oder gar in Israel langfristig wohl mit Sicherheit wirkungsvoller.
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