Wenn morgen Europawahl wäre …
Die AfD in Deutschland war die Erste: In der Vorwoche hat die im Umfragehoch segelnde rechtsextreme „Alternative für Deutschland“ bereits ihre Kandidaten für die Europawahl im Juni benannt und ihr Wahlprogramm festgezurrt. Von einer „Auflösung der EU“ war da nicht mehr die Rede.
Stattdessen strebt die AfD eine Art EU-Neugründung an, einen „Bund europäischer Nationen, in dem die Souveränität der Mitgliedsstaaten gewahrt ist“. So etwas Ähnliches hört man seit Jahren von der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen, und die FPÖ klingt auch nicht anders.Völlig unrealistisch, dieser Umbau?
Genau – aber die Mühe, diese ins Blaue hinein versprochene Luftnummer bis zum Ende zu denken, hat sich bisher noch kein Rechtspopulist angetan. Der Rückenwind für die Rechten rührt denn auch nicht von klaren Konzepten, sondern von ganz woanders her. Von Helsinki bis Madrid, von Paris bis Wien ist die Stimmung auf Protest gepolt: Pandemiefolgen, irre Energiekosten, Klimakrise, Inflation, Migration … – genug Themen, auf die die Parteien der politischen Mitte, egal ob links oder rechts, keine befriedigenden Antworten fanden.
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Kommen diese Antworten dann stattdessen von der AfD, der FPÖ, von den „wahren Finnen“, der spanischen Vox oder vom niederländischen, selbst ernannten National-Verteidiger Geert Wilders?
Man solle sie doch mit- oder überhaupt regieren lassen, lautet das Argument jener, die sich auf das Wettspiel demokratischer Kräfte und den Willen der Wähler berufen. Der Praxistest werde dann schon zeigen, ob Rechtspopulisten tatsächlich brandgefährlich für den Erhalt der Demokratie seien, oder ob sie sich politisch „normalisieren“ werden.
Die Brandmauer wackelt
Bei Europas größter Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP), beginnt die bisherige Brandmauer gegen die Rechtspopulisten jedenfalls bereits zu wackeln. Der Flirt mit ganz Rechts aber birgt für die Christdemokraten große Gefahr: Es könnte die EVP zerreißen – viele bürgerliche Abgeordnete können sich ganz und gar nicht vorstellen, mit Abgeordneten der FPÖ, der AfD oder anderen europäischen Rechtsaußenpolitikern und Postfaschisten gemeinsame Sache zu machen.
Was aber wäre, wenn es bei den Europawahlen tatsächlich – wie es die Umfragen derzeit nahelegen – zu einem massiven Ruck nach rechts kommt? Dann wird in Europa bei der Suche nach Problemlösungen erst einmal die Handbremse gezogen.
Denn ihre größere Macht werden die Rechtspopulisten dafür nutzen, wie schon bisher fast immer Nein zu sagen: Nein zu gemeinsamen europäischen Gesetzen, zu mehr Klimaschutz, zu einer europäischen Migrationspolitik.
Wobei bisher noch kein Rechtspopulist verraten hat, was ein „Bund europäischer Nationen“ in der Migrationskrise besser machen könnte.
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