"Seit dem Jahr 2000 werden sie immer stärker", beobachtet Politikwissenschafter Reinhard C. Heinisch (Universität Salzburg). "In Summe, quer durch Europa gesehen, hat sich ihre Stimmenzahl seit der Finanzkrise vervielfacht und liegt jetzt im Schnitt bei 30 Prozent."
Generationenwandel
Und ihr Weg nach oben ist noch nicht zu Ende. "Allein schon wegen des Generationenwandels könnten die Rechtspopulisten noch stärker werden", mutmaßt der Politologe. Denn den traditionellen Volksparteien sterben die treuen Stammwähler weg. Die Jungen hingegen, wie eben nun in Finnland, wählen eher dynamisch, meist zwischen grün oder liberal und rechtspopulistisch.
Ob die Schwedendemokraten in Schweden, die FPÖ in Österreich, Ungarns regierende Fidesz-Partei oder der Rassemblement National (früher Front National) in Frankreich – alle rechtspopulistischen Parteien prägen ihre landesspezifischen Eigenheiten aus.
Was sie aber alle gemeinsam haben, sind einerseits ihre Themen – etwa der Kampf gegen die Migration und vor allem ihre Grundidee: "Gegenüber dem guten Volk stehen die korrupten Eliten", schildert Reinhard C. Heinisch.
"Da gibt es die echten Österreicher oder die wahren Finnen – und das sind nicht Staatsbürger, sondern das ist eine fiktive Abstrahierung, die bestimmte Leute ein- und andere ausschließt." Dann gebe es die "bösen anderen", je nach Situation – die Wissenschafter, die Banker, die Ausländer, die EU, die Impfbefürworter. "Wer auch immer gerade das Feindbild ist."
Die Antwort der Populisten auf Krisen und Herausforderungen sei der radikale Wechsel, sagt der Politologe. "Die Erzählung der Populisten ist immer so, dass sie in der Gegenwart versprechen, dass die Zukunft so sein wird wie die Vergangenheit." Alles solle also wieder so werden wie in der "guten alten Zeit" – als noch keine Migranten da waren und keine Klimakleber die Straßen blockiert haben.
Wann es gefährlich wird
Anders als die gewaltbereiten und anti-demokratischen Rechtsextremisten – wie etwa die deutsche Pegida – sind Rechtspopulisten demokratische Parteien. Weil sie aber bisher selten stark genug waren, allein zu regieren oder überhaupt Teil einer Regierung zu werden, brauchen sie Koalitionspartner.
Ausnahme: Ungarns Fidesz von Premier Viktor Orbán. "Wenn sie allein regieren, dann wird es immer gefährlich. Denn dort, wo Populisten die Chance haben, die Macht zu übernehmen, wird zuerst die Verfassung geändert, und dann werden die Medien gleichgeschaltet", weiß Heinisch aus seiner Forschungsarbeit. Dann sei es ein Leichtes, immer andere dafür zu beschuldigen, wenn etwas schief läuft oder die Inflation wie im Fall Ungarns auf mehr als 20 Prozent hinaufschnellt.
Ohne Kontrolle durch Koalitionspartner, eine starke Opposition, freie Medien und eine unabhängige Justiz aber beginnt die Demokratie eines Landes zu wanken. Den erstarkenden Rechtspopulismus erachtet der Politikwissenschafter deshalb als "die größte Herausforderung für die liberale Demokratie seit dem Zweiten Weltkrieg".
An der Macht
Mit Ungarns Orbán, der polnischen PiS-Regierung und seit Kurzem auch Italiens Fratelli-d’Italia-Chefin Giorgia Meloni gebe es bereits drei rechtspopulistisch geführte Regierungen in Europa. In Schweden ist die Minderheitsregierung aus Konservativen und Liberalen für Mehrheiten auf die rechtspopulistischen Schwedendemokraten angewiesen.
Und auch in Finnland könnten die Rechtspopulisten demnächst mit an der Macht sitzen. Dass der Konservative Petteri Orpo die Partei Die Finnen in seine Regierung holt, ist nicht ausgeschlossen. Und in Frankreich ist der Rassemblement National seit den Parlamentswahlen 2022 die stärkste Oppositionspartei.
Nur in Deutschland kommen die Rechtspopulisten der AfD kaum über 15 Prozent. "Mit ihr will keine andere Partei kooperieren. Dadurch wird sie klein gehalten", sagt Heinisch. "Denn die meisten Wähler wollen ja, dass ihre Partei mitregiert."
Die Idee, Rechtspopulisten in die Regierung zu holen, in der Hoffnung, sie so zu "domestizieren", hält der Politologe hingegen für gescheitert. "Im Gegenteil. Die Agenda der Rechten wird dadurch validiert."
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