Was das Anti-Teuerungspaket wert ist
Daniela Kittner
15.06.22, 05:29Die türkis-grüne Koalition hat am Dienstag erneut ein Anti-Teuerungspaket vorgelegt. Es handelt sich diesmal um mehr als eine bloße Geldverteilaktion, manche Maßnahmen dürften die heimische Politik dauerhaft verändern.
Aber von vorne.
ÖVP und Grüne haben sich offenkundig bemüht, Expertenratschläge zu berücksichtigen und Forderungen, auch seitens der Opposition, aufzunehmen. Herausgekommen ist ein Mix: Heuer gibt es Einmalzahlungen an die gesamte Wohnbevölkerung und zusätzlich an armutsgefährdete Gruppen, weil das schnell geht. Ab 2023 greifen dauerhafte Steuersenkungen bzw. die Erhöhung von Sozialleistungen.
Ob die Direktzahlungen angemessen oder überschießend sind, wird sich erst anhand der tatsächlichen Inflation und der Energiepreise in der kommenden Heizsaison bewerten lassen. Der Gießkannenvorhalt wegen der Direktzahlungen an die gesamte Bevölkerung mag zwar rechnerisch begründbar sein, politisch ist es allemal richtig, die Hilfen nicht nur auf armutsgefährdete Gruppen zu beschränken. Die Preisexplosion bekommt längst auch der Mittelstand zu spüren.
Interessant sind die Maßnahmen mit Dauerwirkung: Künftig soll der Finanzminister bei Lohnerhöhungen keinen Inflationsgewinn mehr machen und bei den Familien nicht mehr von schleichendem Kaufkraftverlust profitieren. Das Kleingedruckte dazu hat die Regierung zwar noch nicht vorgelegt, aber das Vorhaben hat sie am Dienstag klar bekundet: Die Kalte Progression fällt, die Familienbeihilfen werden dauerhaft indexiert.
Das läuft auf eine Änderung bisheriger Gepflogenheiten hinaus. Fast jede Regierung der jüngeren Vergangenheit hat einmal eine „größte Steuerreform aller Zeiten“ auf ihre Fahnen geheftet. Im Wesentlichen war das nichts anderes, als das über Jahre eingesammelte Körberlgeld aus der Kalten Progression gönnerhaft wieder auszuschütten. Analog verhielt es sich mit als Wahlzuckerl verpackten Inflationsanpassungen der Familiengelder.
In Zukunft werden Experten und Computerprogramme errechnen, ab welcher Lohnhöhe die nächste Steuerstufe greift und wie die Familienbeihilfe zu steigen hat. Das ist nur fair, denn immerhin haben die Politiker auch Gesetze beschlossen, wonach Wasser-, Kanal- und Müllgebühren automatisch mit der Inflation teurer werden. Unpopuläre Erhöhungen haben sie anonymen Automatismen überantwortet, Wohltaten behielten sie sich selber vor.
Gestaltungsspielraum bleibt der Politik auch in Zukunft genug, es wird nur anstrengender. Künftig müssen Finanzierungsvolumina erarbeitet werden – durch Sparen, neue Geldquellen, Reformen. Dann sollten die „größten Steuerreformen aller Zeiten“ ihr pompöses Etikett auch verdienen.
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