Der digitale Euro kommt - aber brauchen wir ihn überhaupt?
Wolfgang Unterhuber
28.06.23, 05:00Heute, Mittwoch, präsentiert die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag zur Einführung des digitalen Euro. Dann kann die Europäische Zentralbank mit den Vorbereitungen loslegen.
Der digitale Euro soll so etwas sein wie digitales Bargeld, das aber nicht auf einem Bankkonto, sondern in einer digitalen Geldbörse aufbewahrt wird - einem sogenannten Wallet, etwa auf dem Smartphone.
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Ein politisches Prestigeprojekt
Der digitale Euro ist ein politisches Prestigeprojekt der Kommission und der EZB. Die Europäische Zentralbank EZB möchte laut ihrer Chefin Christine Lagarde verhindern, dass die Europäer eines Tages mit einer anderen digitalen Währung zahlen.
Der elektronische Zahlungsverkehr soll eben nicht nur den internationalen Tech-Riesen überlassen werden.
Es geht laut Lagarde um die „fiskalpolitische Souveränität” des Euroraums. Rund um den Globus denken übrigens auch andere Notenbanken immer öfter über die Einführung ihrer eigenen digitalen Währung nach. China ist am weitesten.
Immer mehr Menschen zahlen digital
Ein weiteres Argument bei der EZB ist, dass Herr und Frau Europäer immer öfter digital zahlen. In Deutschland wurden etwa laut Handelsblatt zuletzt nur noch knapp 40 Prozent der Umsätze im Einzelhandel mit Scheinen und Münzen beglichen.
Und auch in Österreich wickeln laut WKÖ-Bundessparte Bank und Versicherung schon sechs von zehn Bankkunden ihre Geldgeschäfte digital bzw. elektronisch ab.
In Österreich geht mit dem Thema digitaler Euro, auch die Angst um, dass damit das Bargeld abgeschafft warden könnte. Das ist Unsinn.
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Digital bezahlen kann man ja schon längst
Denn in Wahrheit stellt sich die Frage, was das Projekt digitaler Euro überhaupt soll.
Denn digital bezahlen kann man ja schon längst. Per Debit- und Kreditkarte etwa. Beim Onlineshopping gibt es Lastschrift, Karten, Klarna, Paypal.
Es ist schwer erkennbar, welchen Vorteil die Konsumenten hier durch einen digitalen Euro haben könnten.
Der digitale Euro wird auch nicht dafür sorgen, dass europäische Banken bei grenzüberschreitenden Zahlungen weniger abhängig von US-Konzernen werden. Viele Geldhäuser in Europa verlassen sich bei den Zahlungssystemen aber sicher auch in Zukunft ganz auf Mastercard und Visa.
“Schneller, sicherer und billiger"
Nun: Bei der Gestaltung des digitalen Euro gehe es darum, “schneller, sicherer und billiger" als klassische Zahlungssysteme zu sein, heißt es bei der Österreichischen Nationalbank.
Vorerst freilich sorgen sich einmal kleinere Banken, dass es zu Geldabflüssen kommen könnte. Denn das Geschäft verläuft beim digitalin Euro direkt zwischen den beiden Kunden. Also ohne Bank. Was ja irgendwie der Witz an der Sache ist.
Aber fallen die Banken dann nicht um das Überweisungsgeschäft um? Die US-Investmentbank Morgan Stanley sieht das so. Bankkunden im Euroraum könnten laut einer Studie über 870 Milliarden Euro und damit rund acht Prozent der Kontoeinlagen abziehen.
Digital bezahlen ja - aber nur ein wenig
Das wäre für die Banken und ihre Bonität und damit den Finanzstandort Europa gar nicht gut.
Deshalb haben EU und EZB eine Obergrenze erfunden. Bankkunden können also nur eine bestimmte Summe von ihrem Bankkonto auf das Wallet für ihre digitalen Geschäfte transferieren. Bisher war die Rede von 3000 Euro.
Außerdem dürfte das ganze technische Handling im Hintergrund ja nach wie vor über die Banken ablaufen.
Klingt alles irgendwie umständlich. Und ist es auch. Und deshalb dauert es ohnedies noch vier bis fünf Jahre, bis der digitale Euro in der Wirklichkeit ankommt.
"Mit Kryptowährungen technologisch ebenbürtig"
Lohnt es sich? Zuletzt haben Handelsblatt und Deutsche Presse Agentur zahlreiche Experten dazu befragt.
Aus Sicht von Kevin Hackl, Bereichsleiter Digital Banking und Financial Services beim Digitalverband Bitkom, muss der digitale Euro den verfügbaren Kryptowährungen technologisch ebenbürtig sein. „Ansonsten ist er nicht konkurrenzfähig.”
Philipp Sandner, Kryptowährungsexperte und Professor an der Frankfurt School of Finance, stellt die Frage nach dem Mehrwert, da sich die EZB bei der Konzeption des digitalen Euro auf die Konsumenten konzentriere.
Dort würde es aber bereits bewährte und beliebte Angebote geben. “Die EZB hat nur eine Chance, wenn sie von Einzelhändlern – online wie offline - deutlich geringere Gebühren verlangt als beispielsweise Kreditkarten-Anbieter."
Viel Aufwand und wenig Nutzen
Bitkom-Experte Hackl hält es zwar für nachvollziehbar, dass EU und EZB mit einem digitalen Euro ihrem Souveränitätsanspruch im Zahlungsverkehr Nachdruck verleihen wollten:
“Es bleibt aber die Frage, ob der Gesetzgeber oder die Zentralbank die richtigen Organisationen sind, um Innovationen selbst hervorzubringen oder eher die Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Lösungen setzen sollten."
Fazit: Die Einführung des digitalen Euros ist politisch nachvollziehbar. Ökonomisch ist das Ganze ein Mega-Aufwand. Der Nutzen ist jedoch begrenzt. William Shakespeare würde vermutlich sagen: "Viel Lärm um nichts."
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