So habe ich das erste "Starmania" erlebt

So habe ich das erste "Starmania" erlebt
Quälend lange Castings und viele schöne Erinnerungen. Markus Spiegel über besondere Karrieren von Christl Stürmer bis Conchita.

Im Sommer 2002, also vor etwa 19 Jahren, wollten 1.700 Jugendliche unbedingt „Superstar“ werden. Der ORF hatte „Starmania“ erfunden – und damit eine der erfolgreichsten Shows überhaupt

in der österreichischen TV-Geschichte. Konzipiert wurde die Sendung von ROMY-Preisträger Mischa Zickler, der zuvor für „Taxi Orange“ verantwortlich war. Das Angebot der Senderverantwortlichen, ob ich nicht Juror und Kommentator „Zur Lage der Nation“ sein wollte, kam im späten Frühjahr. Als Musikproduzent traute ich es mir zu, und ich wollte! Und die Rahmenkonditionen passten auch.

Wie quälend allerdings die Castings sein würden, das konnte ich nicht erahnen. Die Kandidat*innen mussten alle „a cappella“, also ohne Playback oder instrumentaler Begleitung, vorsingen. Uns Juroren war schon nach circa 15 Sekunden, wenn nicht noch früher, klar, wohin für die meisten die Reise ging, nämlich nach Hause. Jedoch bestand der Redaktionsleiter auf eine Aufnahmezeit von einer Minute pro Kandidat*in, denn er brauchte Material für die sehr beliebte „Leider nein!“ – Rubrik. Für das Publikum war es ein Gaudium, jedoch für mich eine Qual sondergleichen. Das sah man auch meinem Gesicht an. Da war nichts gespielt!

Na ja, vielleicht ein bisschen...

Ärgerliche Mutproben

Wirklich böse wurde ich bei „Mutproben“ von Girlies, die von ihren notorisch kichernden Freundinnen zum Casting entsandt worden waren. Insgesamt hat der ORF vier Staffeln produziert, engagiert wurde ich für drei. Oft wurde mir die Frage gestellt, an welche Personen ich mich noch erinnern kann? Natürlich an Christina Stürmer, einst Lehrling einer Linzer Libro-Filiale, die danach eine erstaunliche Karriere gemacht hat. Der Tiroler Michael Tschugnall sang in der Finalsendung eine selbstkomponierte Ballade für seine damalige Freundin und gewann die Show. Heute ist er IT-Fachmann.

Der ausgebildete Musical-Sänger Lukas Perman (einst Permanschlager) avancierte bei den Vereinigten Bühnen Wiens zum „Leading Man“. Meine persönliche Favoritin war aber Vera Böhnisch, die den Hildegard-Knef-Song „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ sensationell interpretiert hat, jedoch beim Publikum glatt durchfiel und abgewählt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Deutsch im Pop fast verpönt. Einer meiner Lieblinge, Tom Neuwirth (später alias Conchita), war erst in der 3. Staffel! Beim Casting agierte er als liebenswerter Zappelphilipp und sang schmachtend und berührend Songs von Shirley Bassey und Whitney Houston. Von allen anderen Kandidat*innen ist mir niemand bekannt, der heute noch auf einer Pop-Bühne steht.

Die Moderatorin aller Starmania-Staffeln war Arabella Kiesbauer, die der ORF vom deutschen Privatfernsehen abgeworben hat. Sie war von Bodyguards umgeben, weil der Briefbomben-Attentäter Franz Fuchs sie bedrohte. Es war gar nicht so leicht, mit ihr ein privates Gespräch zu führen. Der charismatische und intelligente „Starmania“-Juror Bogdan Roščić war damals Geschäftsführer der Universal Music Austria. Einige Zeit davor hatte er Pop-Kritiken für den KURIER geschrieben. Heute ist er Direktor der Wiener Staatsoper. Wahrscheinlich die unglaublichste „Star“-Karriere, ohne „Mania“. Mit etwas Wehmut denke ich schon an diese Zeit zurück. Wer würde das an meiner Stelle nicht tun?

Markus Spiegel: Musikproduzent, der Falco als Jungtalent unter Vertrag nahm, weiters Reinhold Bilgeri, Drahdiwaberl, Karl Ratzer, DÖF und viele andere. Bei "Starmania" war er als Casting-Juror und Kommentator "Zur Lage der Starnation" aktiv.

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