PRO
Wie gut die Österreicher über vegane Ernährung Bescheid wissen, verdeutlichte Gastronomieobmann Mario Pulker jüngst, als er von „Saitan-Pilzen“ sprach. Lassen Sie mich das korrigieren: Seitan ist ein veganes Lebensmittel aus Weizeneiweiß, mit Pilzen hat das wenig zu tun. Jetzt aber zur veganen Kochlehre, die vor allem aus zwei Gründen wichtig und richtig ist.
Erstens haben wir in Österreich einen enormen Fachkräftebedarf in der Gastronomie, Köche und Köchinnen werden händeringend gesucht. Die Generation der 14- bis 29-Jährigen legt auf Nachhaltigkeit großen Wert. 6,5 Prozent dieser Altersgruppe ernähren sich bereits fleischlos. Wieso sollten sie in der Kochlehre Fleisch zubereiten müssen, wenn sie wissen, dass sie damit in Zukunft nicht arbeiten möchten? Die Zeit könnten sie sich sparen und dafür in eine intensive fleischlose Ausbildung stecken – dass die viel hergibt, hat Koch Paul Ivić (Tian) ja bereits bewiesen: Allein über 10.000 Paradeissorten gibt es. Die Gemüsebauern würden von der neuen Wertschätzung übrigens auch profitieren.
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Zweitens: Die fleischlose Küche wird häufig – zumindest außerhalb der hippen Innenstädte – immer noch mit Beilagen verwechselt und stiefmütterlich behandelt. Haben Sie schon einmal in einem Altwiener Wirtshaus versucht, etwas Veganes zu bestellen? Wenn man Glück hat, bekommt man Pommes mit Ketchup. Dabei gäbe es doch weitaus mehr Potenzial für köstliche fleischlose Gerichte. Und keine Sorge, das Seitan-Schnitzel auf der Karte muss das Kalbsschnitzel ja nicht ersetzen.
Angelika Groß ist Newsdesk-Redakteurin
CONTRA
Skandalös! Wer in Österreich Koch werden will, muss also wissen, wie man ein Schnitzel paniert (ein solches mit Tieringredienzen, Anm.). Ein vermeintlicher Missstand, den niemand anderer als die Grüne Wirtschaft aufgedeckt hat. Im Gegenzug fordert sie, dass es ab sofort möglich sein muss, echte Köche auch nach einer reinen, veganen Lehre auszubilden.
Ernst gefragt: Was spricht im 21. Jahrhundert dagegen? Zuvorderst die Tatsache, dass es in Österreich kaum vegane Lokale gibt, deren Öffnungszeiten eine Lehrlingsausbildung zulassen. Diese dauert nämlich 40 Wochenstunden. Aber wer weiß, vielleicht kommt schon bald die Teilzeit-Lehre bei vollem Entschädigungsausgleich …
Auch die Argumente veganer Spitzenköche überzeugen nicht. Da werden Beschwerden laut, dass Lehrlinge von 10.000 Paradeisersorten nur 30 kennen lernen. Bei allem Interesse an den 9.770 verbleibenden Exoten: Den Durchschnittsösterreicher überfordert schon eine Weinkarte mit 30 Sorten.
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Warum sich die Debatte erübrigt: Im harten gastronomischen Wettbewerb bestimmt tatsächlich die Nachfrage das Angebot. An Ernährungstrends müssen sich Wirtshauskultur und somit auch Kochlehre laufend anpassen. Der Dorfwirt, der Veganern lieblos zerrupfte Salat-Überreste und Dreierlei vom Erdapfel auf den Tisch knallt, wird nicht mehr lange überleben. Zu Recht.
Denn wer sich heute Koch nennen will, sollte sorgsam mit Lebensmitteln umgehen und beides ausreichend befriedigen können: fleischlose wie fleischliche Gelüste.
Michael Hammerl ist Innenpolitik-Redakteur
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