Haubenkoch: Warum es eigene vegane Köche braucht
"Was bitte sollte ein veganer Koch drei Jahre lang lernen?", die Aussage von Mario Pulker, Österreichs oberstem Gastronomievertreter, sorgte am Dienstag für Aufregung. Anlass für die hitzige Debatte gab das Ansinnen der Grünen Wirtschaft um eine vegane Kochlehre, das die Wirtschaftskammer jedoch ablehnte.
In den sozialen Medien entfachte daraufhin eine emotionale Debatte. Die österreichische Küche sei traditionell deftig und vor allem fleisch- und tierlastig, hieß es dort etwa. Andere wiederum sehen in der fleischlosen Kochausbildung eine Chance für junge Nachwuchskräfte.
Braucht es also eine fleischlose Kochausbildung? Der Chefkoch und Geschäftsführer des vegetarischen Hauben-Restaurants Tian (auch mit einem Stern ausgezeichnet)in Wien, Paul Ivić, sieht darin ein großes Potenzial, um auch junge Menschen für die Gastronomie zu begeistern.
➤ Mehr dazu: Grüner Vorstoß für die vegane Kochlehre
KURIER: Die Wirtschaftskammer lehnt einen Antrag auf eine vegane Kochlehre ab. Es gehe einem früher oder später der Lernstoff aus, so die Bedenken. Im Tian gibt es seit 2011 vegetarische Spitzenküche. Gehen einem irgendwann die Ideen aus?
Paul Ivić: Im Gegenteil. Mittlerweile, nach 12 Jahren Erfahrungen und Entwicklungszeit, eröffnen sich Horizonte, die wir noch gar nicht entdeckt haben. Wir haben jetzt vielleicht gerade einmal ein Achtel aus dem Potenzial geschöpft, das es noch gibt.
"Jeder Koch kann auch vegan kochen", behauptete der Bundesausbildungsleiter für Gastronomie und Hotellerie, Gerold Royda, gegenüber der Tageszeitung Standard. Ist es wirklich so einfach?
Wir merken, dass es für die meisten Köche und Köchinnen, die zu uns kommen, gerade in den ersten sieben bis 18 Monaten sehr schwierig ist, in unserem Bereich richtig gut Fuß zu fassen. Aber natürlich kann es jeder lernen. Da ergibt sich ja für unsere Branche eine riesige Chance, die wir ergreifen müssen.
Braucht es wirklich eine eigene vegane Kochlehre dafür, oder würde es nicht ausreichen, das als Teil in die reguläre Kochlehre zu integrieren?
Mit dieser Frage setze ich mich schon seit drei, vier Jahren auseinander. Ich selbst habe die klassische Kochausbildung gemacht und kann bis heute sämtliche Teile der Tiere auswendig herunterbeten. Aber bei Paradeisern gibt es über 10.000 Sorten und ich kann maximal 25-30 nennen und erkennen. Allein da gibt es ein riesiges Potenzial, sich zu spezialisieren. Man sollte das auch jenen jungen Menschen, die nur eine fleischlose Küche erlernen wollen, nicht verwehren.
Uns wird schon im Kindesalter mitgegeben, dass Fleisch enorm wichtig ist und dadurch auch eine wahnsinnige Bedeutung für uns hat.
Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten hat den morgigen Donnerstag zum diesjährigen „Meat Exhaustion Day“ erklärt. Heißt: Am 25. Mai hat Österreich die empfohlene Jahresration von maximal 23,4 Kilogramm pro Kopf bereits verbraucht. Können die Österreicher nicht ohne Fleisch?
Uns wird schon im Kindesalter mitgegeben, dass Fleisch enorm wichtig ist und dadurch auch eine wahnsinnige Bedeutung für uns hat. Das sieht man in den Kindergärten und Schulen, wo es überproportional viel Fleisch gibt. Wir müssten hier viel mehr die Ernährungswissenschaft miteinbeziehen. Und die sagt, dass eine vorwiegend pflanzliche Ernährung das Gesündeste und Beste wäre. Nahrung sollte generell schon in die Ausbildung im Kindesalter miteinfließen, dann hätten wir auch die Thematik nicht, dass wir so viel Massenware, also kranke Tiere aus der Massentierhaltung, zu uns nehmen. Wenn wir ein krankes Tier zu uns nehmen, essen wir auch nichts Gesundes.
Apropos Massentierhaltung: Die jüngsten Tiermast-Skandale in Österreich zeichnen kein gutes Bild über die Fleischindustrie. Trotz dieser Missstände scheint der Appetit auf Fleisch bei den Menschen anzuhalten. Was muss passieren, dass sich der Fleischkonsum reduziert?
Das startet in meinen Augen mit einer sehr guten Ausbildung. Wir müssen ein Bewusstsein schaffen. Durch die ganzen Skandale werden leider auch die Produzenten, die wirklich gute Arbeit leisten und mit Tieren auch sorgsam umgehen, in den Dreck gezogen. Wir sollten hier viel mehr positive Beispiele ans Tageslicht bringen, damit man sich an diesen orientieren und sich von der Massentierhaltung schneller lösen kann.
Was wären das für positive Beispiele?
In Österreich würde mir als erstes der Hannes Hönegger (Bio-Schlachthof im Lungau, Anm.) einfallen. Es gibt natürlich noch mehrere, die das artgerecht machen und wir haben auch viele Bergbauern und Bergbäuerinnen, die vom Fleischverkauf leben können. Wir brauchen deren Arbeit sehr wohl.
Wer im Supermarkt spottbilliges Fleisch kauft, kann keine gute Qualität erwarten. Wieso wird das überhaupt noch angeboten?
Das ist eine sehr gute Frage. Aber wie es immer so schön heißt, die Nachfrage regelt das Angebot. Vielleicht müssten wir auch in den Supermärkten - genau so wie bei den Zigaretten - klar deklarieren, was in welchem Fleisch enthalten ist. Sprich, beim billigen Fleisch muss dann stehen: Die und die Antibiotika und Hormone sind drin und beim Bio-Fleisch eben die Inhaltsstoffe. So, dass der Konsument letztlich mündig entscheiden kann, was er nimmt.
Es bräuchte also viel mehr Transparenz in dem Bereich.
Viel mehr Transparenz und ein Bewusstsein in der Allgemeinheit. Jetzt kommt natürlich immer das Argument von der anderen Seite, dass der Konsument entscheidet. Aber der Konsument kann gar nicht wirklich entscheiden, weil er einfach wenig Ahnung hat. Selbst mir als erfahrener Koch geht da die Ahnung aus.
Viele kleine Fleischerei-Betriebe in Österreich finden bereits keinen Nachwuchs mehr, weil diesen Beruf kaum mehr junge Menschen ausüben möchten. Müsste man allein deshalb nicht schon für Alternativen sorgen?
Ich glaube, sie sollten sich ein bisschen etwas von der Bäckerei-Zunft abschauen. Bestes Beispiel in Wien: Josef von Josef Brot. Der hat dieser Branche wieder Leben eingehaucht durch sein Bewusstsein für Qualität und Handwerk. Da gibt es auch Öfferl und Gragger und Co. Wenn also der Fokus auf diesen Bereich gelegt wird, ist es für junge Menschen auch wieder interessant ein Handwerk zu erlernen.
In Wien gibt es bereits eine fleischlose Metzgerei, die Fleischloserei. Wäre eine vegane Fleischer-Ausbildung sinnvoll?
Das wäre bestimmt auch eine Möglichkeit und ein Zukunftsfenster für ein neues Handwerk. Ich finde immer, die beste Herangehensweise ist, dass man mal auf Qualität den Fokus richtet und die Ausbildung zeitgemäß und modern interpretiert. Wir sollten den Wandel erkennen und vorantreiben. Ich begrüße so etwas immer. Warum soll man sich dagegen wehren, wenn es etwas Neues gibt?
Die Lebensmittelindustrie hat diesen Wandel längst erkannt. Die investiert stark in fleischlose Produkte. Wieso sträubt sich die Wirtschaftskammer dennoch gegen die vegane Kochausbildung?
Wir wollten ja schon seit langem ausbilden, durften es aber nicht. Keine Ahnung, warum sich dagegen gesträubt wird. Wir haben ja aktuell den Status, dass Gastro Mitarbeiter und Mitarbeiterin ein Mangelberufe ist. Und trotzdem erkennen wir die Chance nicht, die der Gastronomie hier zu Füßen liegt.
25 Lehrlinge im Jahr sind landesweit notwendig, um einen neuen Lehrberuf einzuführen. Würden sich genug interessierte Jugendliche finden, die gerne eine vegane Kochausbildung machen möchten?
Ich denke sehr wohl, ja. Das kommt natürlich auch auf das Angebot an. Nur kochen wäre mir zu wenig in der Ausbildung. Da braucht es ein gesamtheitliches Konzept: Nachhaltigkeit, No-Waste, Landwirtschaft usw. Weil junge Menschen möchten natürlich eine Arbeit angehen, die auch in Zukunft noch spannend und relevant ist.
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