Soll Israel am Eurovision Song Contest teilnehmen dürfen?

Menschen in Stockholm protestieren gegen Israels Teilnahme am ESC 2024.
Israels Teilnahme beim ESC ist umstritten, der Beitrag könnte möglicherweise abgelehnt werden.
Caroline Ferstl

Caroline Ferstl

Armin Arbeiter

Armin Arbeiter

In Ländern wie Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Island und Spanien formt sich Protest gegen eine Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest (ESC) 2024. Schwedische Künstler hatten in einem offenen Brief den Ausschluss wegen Israels Kriegsführung und den Tausenden toten Zivilisten in Gaza gefordert. 

Die European Broadcasting Union (EBU) will außerdem Israels Song prüfen: "October Rain" heißt der Beitrag. Die Veranstaltung versteht sich selbst als unpolitisch. Israel steht zu seinem Beitrag, will diesen im Ausschlussfall auch nicht zurückziehen.

Soll Israel am Eurovision Song Contest teilnehmen dürfen? Ein Pro & Contra:

PRO

"Wenn Fremde kommen, kommen sie in dein Haus, töten euch alle und sagen: 'Wir sind unschuldig.'" Diese Zeilen entstammen dem Text des ESC-Siegerlieds 2016, gesungen von der ukrainischen Künstlerin Jamala. Ihr Lied handelt von ihren Großeltern, die von Stalin deportiert wurden. Zutreffend wäre dieser Text auch in Bezug auf das unmenschliche und blutige Massaker durch die Hamas am 7. Oktober. Doch dazu später mehr.

Es ist nicht das erste Mal, dass irgendwelche Künstler fordern, Israel vom ESC auszuschließen. Als er 2019 in Israel stattfand, riefen sie und propalästinensische NGOs zum Boykott auf. Wohlgemerkt sprechen wir von einer Veranstaltung, die ob ihrer nicht selten queeren Teilnehmer wohl kaum im Gazastreifen abgehalten werden könnte.

Auch heuer fordern irgendwelche Künstler aufgrund des Gazakriegs einen Ausschluss Israels. Dass diesem für die palästinensische Zivilbevölkerung schrecklichen Krieg ein unfassbar widerwärtiges Massaker vorausgegangen ist, scheint nicht erwähnenswert zu sein. Die jüngste Kontroverse bezieht sich auf das Lied der israelischen Sängerin Eden Golan: Ihr Lied "Oktoberregen" könne zu politisch sein. Festgemacht wird das daran, dass im Text das Wort "Blumen" vorkommt, und dass gefallene israelische Soldat so genannt würden.

Derzeit wird der Text von der European Broadcasting Union geprüft. Israel hatte bereits angekündigt, den Text im Falle einer Nichtzulassung nicht zu ändern und auf den Song Contest zu pfeifen. Völlig zurecht!

Armin Arbeiter ist Redakteur der Außenpolitik.

CONTRA

Für einen Abend Politik, Kriege und Weltlage vergessen, und ein Zeichen für das Leben, Musik und Frieden setzen – was für eine naive Vorstellung.

Der ESC war schon immer politisch. Etwa, als Nicole 1982 mitten im Kalten Krieg mit "Ein bisschen Frieden" den Bewerb gewann; als 1969 dem spanischen Vertreter verboten wurde, in Katalanisch zu singen; als Griechenland 1975 nicht teilnahm, weil die Türkei mitmachte  (ein Jahr später war es umgekehrt). Seit 2021 darf Belarus wegen Verstöße gegen Menschenrechte und Pressefreiheit nicht mehr teilnehmen; seit seinem Angriffskrieg ist Russland ausgeschlossen. Und natürlich war auch der Sieg der Ukraine 2022 mit einem Lied, das in sozialen Medien zur Untermalung patriotischer Videos genutzt wurde, ein politisches Zeichen.

Israels politische Botschaft ist offensichtlich: Das Lied heißt "October  Rain", ein direkter Bezug auf das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023. Allein deswegen müsste  es der ESC  ausschließen, solange er sich als "unpolitisch" verkauft.

Nein, mit einem Ausschluss Israels relativiert man weder das Morden der Hamas noch das Festhalten der Geiseln und die grausamen Vergewaltigungen. Stattdessen würde der von seinen Kritikern als "scheinheilig" verachtete Westen (für den der ESC symbolisch steht) zeigen, dass er nicht mit Doppelmaß misst und Israels Kriegsführung in Gaza verurteilt.

Eine andere Option gibt es übrigens auch: neben einer israelischen   auch eine palästinensische Stimme einzuladen und die Bühne für eine wirkliche Botschaft des Friedens zu nutzen.

Caroline Ferstl ist Redakteurin der Außenpolitik.

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