ORF-Gebühren – wofür eigentlich?

ORF-Gebühren – wofür eigentlich?
Die Rundfunkbeiträge wurden für eine teure Infrastruktur erfunden. Dieses Zeitalter nimmt aber langsam ein Ende.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

An der Wiege des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stand ein Generalstreik: Als Großbritannien im Jahr 1926 stillstand, begann die damalige Radiostation BBC erstmalig damit, Nachrichten zu senden – die Zeitungen wurden nicht ausgeliefert, und andere Möglichkeiten gab es nicht. Aus einem reinen Unterhaltungssender wurde über Nacht eine der wichtigsten Stimmen des Vereinigten Königreichs. In der Frühzeit des Rundfunks lag für die Regierung Churchill der Gedanke nahe, sich dieses Werkzeug einzuverleiben. Aber ein Regierungssender? Würde man dem glauben?

Der erste öffentlich-rechtliche Rundfunkvertrag der Welt regelt genau dieses Spannungsverhältnis: Der Staat sorgt für einen Finanzierungsrahmen der BBC (die Rundfunkgebühren), legt aber genaue Aufgaben für den Sender fest. Der ORF bezieht sich zu Recht auf diesen Gründungsmythos. Öffentliches Gut: ja. Regierungskontrolle: nein.

Perfekter hätte man das Rundfunkzeitalter nicht gestalten können, zumal als kleines Land mit einem begrenzten Markt: Funktürme kosten Millionen, die Abertausend Kilometer Kabel, die in Fernsehstationen verlegt werden, Übertragungswagen, Beleuchter … Kein privates Unternehmen würde das stemmen können, dachte man. Mit der Satellitentechnologie wurde auch dieser Schluss ungültig. Erste Privatsender strahlten von Deutschland und Luxemburg ein und bewiesen: Es geht auch anders. Pay-TV folgte, und heute reicht ein Smartphone, um die Medien der Welt zu konsumieren – oder aber sie zu erstellen.

Die Space-Age-Technologieinfrastruktur ist heutzutage auf Westentaschenformat zurückgeschrumpft. Ihre Dimensionen aber bleiben. Weil Monolithen eine eigene politische Dimension entfalten.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich ist eine der großen Säulen der Information in Österreich. Aber: Er ist nur eine. Und im Sinne einer pluralistischen Weltbetrachtung darf es nicht nur bei dem einen Blickwinkel in der medienpolitischen Betrachtung bleiben.

Um im Gründungsgeist der BBC zu bleiben: Ist es wirklich so, dass man eine überall niederschwellig verfügbare Technologie wie das Bauen einer Website mit einer Gebühr fördern muss? Oder kann man hier auf den (vielfältigen) Markt vertrauen. Dass orf.at mittlerweile eine Art tägliches Magazin sein will, ist publizistisch ein tolles Unterfangen. Es schadet aber privatwirtschaftlichen Unternehmen, die für die Finanzierung ihrer Redaktionen Abos verkaufen müssen.

Wenn sich immer mehr Menschen vom linearen Fernsehen und Radio abwenden, könnte bald der Punkt erreicht sein, an dem man die Vergangenheit stärker fördert als die Zukunft. Die Debatte darüber hat europaweit begonnen – wir sollten sie auch führen.

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