Neuer Obmann, neues Personal
Martina Salomon
09.05.22, 17:55Selbst wenn es gar nicht so geplant war, wirkt es gut inszeniert: Am ÖVP-Parteitag kommenden Samstag wird der ehemalige Leutnant Karl Nehammer samt neuen „Unteroffizieren“ antreten.
Mit Elisabeth Köstinger geht eine enge Kurz-Vertraute, und Margarete Schramböck war schon länger angezählt. Offenbar will Karl Nehammer auch die Kompetenzen der Ministerien neu verteilen. Allerdings nur bei den ÖVP-Ressorts, was schade ist. Denn jeder weiß, dass die Häuser von Leonore Gewessler und Johannes Rauch zu groß sind. Doch so ein umfassender Umbau hätte wohl mehr Vorbereitungs-(und Überredungs-)Zeit gebraucht.
Egal, was man von Köstinger und Schramböck hält: Beide wurden in den sozialen Medien regelrecht gemobbt. Köstinger ist darauf in ihrer Abschiedsrede eingegangen und sprach von Untergriffigkeiten (aber auch von großer Unterstützung), die sie erfahren habe. Köstinger war unbestrittene EU-Politikerin, Schramböck angesehene Top-Managerin in Österreich und Deutschland. Beide wurden als Marionetten und Dummchen, gelegentlich sogar mit sexistischen Andeutungen gejagt, während grüne Ministerinnen oft mit Samthandschuhen angefasst werden. (Man vergleiche nur die Reaktion auf Plagiatsvorwürfe bei Christine Aschbacher und Alma Zadić.) Köstinger hat für ihre Klientel, den Tourismus und die Landwirtschaft, einiges weitergebracht und war als ÖVP-Generalsekretärin mit zwei Wahlsiegen überaus erfolgreich. (Die Sperre der Bundesgärten in der Pandemie hingegen war ein schwerer Bauchfleck.) Schramböck wollte gar nicht gehen. Ihre Bilanz ist - sehr freundlich ausgedrückt - „durchwachsener". Die Internet-Trollgemeinde, die jeden patscherten Nebensatz der Wirtschaftsministerin zu einem Riesenskandal aufblies, darf jubeln, sie zur Strecke gebracht zu haben. Das Häme-Orchester wird sich jetzt wohl auf die junge ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner konzentrieren. Irgendwer muss ja immer zum Gaudium aller durch die Manege getrieben werden, besonders gern Frauen.
Nehammer wird mit der Personalrochade ein Stück aus dem Schatten seines Vorgängers heraustreten können (und gleichzeitig aufpassen müssen, dass ihm nicht die nächsten „rausgeschossen“ werden). Mit seinen Besuchen in Kiew und Moskau hat der Kanzler bereits einen starken Akzent gesetzt. Nun muss er trotz Pandemie, Krieg, drohender Energiekrise und dem aggressiven Anti-ÖVP-Ausschuss zeigen, dass er die Kraft hat, die Volkspartei auf Platz eins zu halten. Dafür wird Nehammer auch die „türkisen“ Bürgerlichen brauchen, sonst schrumpft die Mitte-Partei wieder zur alten Mitterlehner-ÖVP. Die Nachrede auf Twitter wäre dann sicher wieder besser. Schließlich ist für den politischen Gegner nur eine schwache ÖVP eine gute ÖVP.
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