Wie Köstingers Rücktritt Nehammer überrumpelte
„Elli, es ist vorbei!“ Diesen fast prophetischen Satz schmetterte Neos-Gründer Matthias Strolz Elisabeth Köstinger in einer ORF-Diskussionsrunde Anfang Oktober entgegen. Strolz meinte damals zwar die Ära von Sebastian Kurz – doch gestern verließ mit der Landwirtschaftsministerin eine der prominentesten „Kurzianerinnen“ die Regierung. Köstingers Karriere war viele Jahre eng an Sebastian Kurz’ Aufstieg geknüpft. Ihr Abgang löst die mittlerweile 14. Regierungsumbildung in der Koalition aus.
Bei ihrer Rücktrittsrede am Montagvormittag wirkte Köstinger geradezu fröhlich und gelöst. Zwar war der Abgang geplant, allerdings nicht der Zeitpunkt.
Vielmehr wollte Köstinger ihrer Ablöse in wenigen Wochen zuvor kommen. Unter den Partei-Granden war bekannt, dass Kanzler Karl Nehammer nach dem Parteitag am Samstag, als neuer Parteichef einen Umbau in der Partei und in der Regierung plant (der KURIER berichtete). Ein gutes Wahlergebnis sollte ihm Rückendeckung für die Neuaufstellung geben.
Köstinger wollte nicht als Ablösekandidatin gehandelt werden und preschte vor. In den Morgenstunden, am Montag, wurde Nehammer von Köstinger über ihren Schritt informiert. Mit diesem Schachzug wurden die Kanzler-Pläne durchkreuzt. Auf Nehammers Agenda stand in den kommenden Tagen eigentlich die Fokussierung auf seine Brandrede. Am Parteitag wollte er sein politisches Profil den ÖVP-Mitgliedern offenbaren. Stattdessen muss der Kanzler nun im Eilzugstempo ein neues Team bilden. Spätestens am Freitag muss Nehammer neue Regierungsmiglieder aufgestellt haben.
„Foul“ von Köstinger
Gewichtige ÖVP-Parteifunktionäre sprechen bereits von einem „Foul“. Köstinger sei dem Kanzler „in die Parade gefahren“. Auch wussten die Landeshauptleute nichts davon. Johanna Mikl-Leitner beispielsweise war am Montag am Weg von Texas nach Wien und saß im Flieger, als Köstinger ihren Gang in die Privatwirtschaft verkündete.
Wieder muss Nehammer eine Krise managen, statt den Umbau mit ruhiger Hand planen zu können.
Köstingers Abgang löste einen Dominoeffekt aus. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck musste gegen ihren Willen den Rückzug aus der Regierung via Video am Montagnachmittag verkünden.
Auch wenn sie es selbst nicht glauben wollte, galt Schramböck zuvor ebenfalls als Ablösekandidatin.
Neue Ministerien
Der 1,2-Millionen-Euro-Flop mit dem Kaufhaus Österreich und ihre unvergesslichen Ausrutscher (so meinte Schramböck, man könne den Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem SWIFT ganz einfach umgehen, indem man die Überweisung händisch mittels Erlagscheines durchführe) katapultierten sie in ein Image-Tief.
Den Rücktritt im Doppelpack möchte Nehammer nun nützen, um die Agenden innerhalb der Ministerien neu zu verteilen.
Im Kanzleramt spricht man von einer „Bereinigung“ der Zuständigkeiten – war doch Köstinger für einen bunten Mix aus Agrar, Tourismus, Telekommunikation, Rohstoff und Zivildienst verantwortlich. Das Wirtschaftsministerium wiederum war ausgehöhlt und hatte nur wenige Zuständigkeiten. Um die inhaltliche Neuausrichtung der Ministerien vollziehen zu können, muss das Bundesministeriengesetz gemeinsam mit dem Koalitionspartner geändert werden.
Als die wahrscheinlichste Variante gilt, dass die Agenden für Tourismus wieder in das Wirtschaftsministerium wandern. So soll es künftig ein reines Landwirtschaftsministerium geben.
Überlegt wird auch, ob Arbeitsminister Martin Kocher zum ÖVP-Superminister gekürt wird und auch die Wirtschaftsagenden übernimmt. Arbeit und Wirtschaft spielen zusammen.
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