Body-Shaming macht auch vor Bäumen nicht Halt

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Die Wienerinnen und Wiener haben wieder etwas, woran sie sich abarbeiten können: den Christbaum auf dem Rathausplatz.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Die Burgenländer wussten, was auf sie zukommt. Sie mussten es wissen – kaum jemand konnte sich der Debatte vor einem Jahr entziehen. Nicht einmal, wenn man wollte. Aber es wollte auch niemand.

Die 200 Jahre alte Fichte aus dem kleinen Örtchen Klaffer in Oberösterreich, die voriges Jahr als Christbaum vor dem Wiener Rathaus landete, wurde Opfer einer beispiellosen Welle von Hass im Netz.

Sie sei „hässlich“, „schäbig“, eine „Krautstaudn“. Die Empörung über den Baum war so groß, dass selbst Stermann und Grissemann in ihrer Sendung „Willkommen Österreich“ nicht ohne ihn auskamen: „Der Baum ist aus Klaffer, und so sieht er auch aus“, witzelten sie.

Eine Boshaftigkeit, die diplomatische Verstimmungen zwischen Wien und Klaffer auslöste. (Bürgermeister Ludwig erklärte dann, mit seiner Frau jedes Jahr ein paar entspannte Tage in Klaffer zur verbringen.)

Damit die Sache mit dem Christbaum heuer nicht wieder eskaliert, einigte man sich im Rathaus auf eine neue Kommunikationsstrategie. Via Facebook ließ man die Bevölkerung wissen, dass die 130 Jahre alte und 30 Meter hohe Fichte aus dem Burgenland (am Mittwoch wurde sie aufgestellt) eine „Rohversion“ sei, die noch „verschönert“ werde.

Wie immer stopfen die Stadtgärtner der MA42 karge Stellen mit zusätzlichen Ästen. Die aufgeregten Gemüter im Netz konnte das freilich nicht beruhigen. Der Baum sei so hässlich, dass man sich hätte überlegen sollen, ihn überhaupt zu fällen.

Den Christbaum vor dem Rathaus spendet – gemäß der Tradition – jedes Jahr ein anderes Bundesland. Meistens sind es Freiwillige, die die Bäume in den Gemeinden umschneiden und für den Transport vorbereiten. Und immer meinen sie es gut mit dem Baum für die Bundeshauptstadt.

Haben wir Erbarmen mit dem Baum.

Und mit den Burgenländern.

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