Ein österreichischer Wahlkampf an Nebenfronten
Martina Salomon
02.08.24, 18:00Nächste Woche starten nun auch im ORF die Sommergespräche mit den Parteichefs: ein mittlerweile inflationär gewordenes Ritual aller Medien, das speziell vor Wahlen aber nicht unwichtig ist.
Nur leider fragt man sich angesichts der dramatischen Weltlage – vom drohenden Flächenbrand im Nahen Osten, dem Krieg in Europa, den Machtgelüsten Chinas bis zum politischen und wirtschaftlichen Abstieg der EU – immer öfter: Worüber bitte reden wir hier eigentlich?
Zum Beispiel darüber, wer österreichischer Kommissar werden darf. Nach langem Feilschen haben die Grünen dann doch (wie lange vereinbart) dem von der ÖVP vorgeschlagenen Kommissar zugestimmt. Die Kommissionspräsidentin hätte gerne auch eine Frau zur Auswahl gehabt. Niemand wäre dafür besser geeignet gewesen, als Europaministerin Karoline Edtstadler. Doch die ÖVP ist nicht gut zu sprechen auf die Politikerin. Sie gilt als eigensinnig und machtbewusst. Nun wird Edtstadler gewissermaßen „bestraft“. Wohlverhalten geht eben über Qualifikation. Das ist nicht das einzige Problem von Karl Nehammer. Viel zu oft hat in dieser Regierung sozusagen der Schwanz mit dem Hund gewedelt: Die ÖVP ging, obwohl derzeit fast dreimal so stark wie die Grünen, häufig vor dem Koalitionspartner in die Knie, verlor damit an Profil.
Dass die nächste Regierung sparen muss, gibt der Kanzler zumindest halb zu, während SPÖ-Parteiobmann Andreas Babler eine (unrealistische) Zusage aller anderen Parteichefs einfordert, dass es „kein Sparpaket auf Kosten der Bevölkerung“ geben werde. Man hat sein Ansinnen dann einfach ignoriert. Bablers Patentrezept für eh alles: Vermögenssteuern. Sein Klassenkampf-, äh, Budgetsprecher Jan Krainer will Konzernchefs so viel Steuern zahlen lassen, wie eine Putzfrau – die aber eigentlich einen eklatant niedrigeren Steuersatz hat. Tja.
Die FPÖ befindet sich schon lange auf PR-Tour quer durchs Land, will nun aber den „Lautstärkeregler hochdrehen“, was durchaus als Drohung zu verstehen ist. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat auf Puls 4 immerhin eingeräumt, bei der Migrationspolitik ihre Meinung geändert zu haben. Bierpartei-Chef Dominik Wlazny wiederum hat zu manchem „noch keine abschließende Meinung“. Natürlich darf (und sollte) man das als Politiker auch einmal zugeben – aber bei ihm ist halt leider wirklich viel unausgegoren. Die KPÖ setzt auf Geschichtsvergessenheit, junge Gesichter und „Mietenstopp“. Hat ja schon in Salzburg funktioniert.
Eine ernsthafte Debatte, wofür Österreich steht und wie wir uns global positionieren wollen, ist das nicht, interessiert auch die Wählerschaft kaum. Währenddessen geht die Welt, so wie wir sie bisher gekannt haben, unter. Man könnte sogar behaupten, wir amüsieren uns zu Tode, wenn das Gebotene denn wenigstens amüsant wäre.
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