Als SPD-Kanzler Olaf Scholz am Montag mit der Vertrauensfrage das von einigen sehnsüchtig erwartete Ende der deutschen Ampelkoalition besiegelte, war er in bester Gesellschaft: Er trat in die Fußstapfen von Willy Brandt und Gerhard Schröder – beide SPD-Kanzler hatten denselben Schritt im Bundestag gesetzt, um den Weg für Neuwahlen frei zumachen.
Das erste Dreierbündnis der Bundesrepublik ist an sich selbst zerbrochen – während Österreich an seinem gerade noch werkelt. Da warnen Populisten und der Boulevard laut und gerne vor einer "Austro-Ampel" – auch wenn die heimischen Parteien weniger dogmatisch und die Kräfteverhältnisse andere sind. Was natürlich nicht heißt, dass Österreich nicht aus dem Misserfolg der deutschen Regierung seine Lehren ziehen könnte.
Einzelne Erfolge hatte die deutsche Ampel durchaus: Deutschland hat seine Sicherheitspolitik nachgeschärft, 100 Milliarden Euro in die marode Bundeswehr investiert; in kürzester Zeit (wenn auch ohne Rücksicht auf europäische Nachbarn) russisches Gas durch nordisches Flüssiggas substituiert. Einig war man sich zudem bei der Entkriminalisierung von Informationen zu Abtreibungen und der Teillegalisierung von Cannabis.
Nur: Diese Reformen, weit weg und nicht spürbar für den Großteil der Bevölkerung, reichen nicht, wenn Lebensmittelpreise und Energiekosten hoch bleiben, Wohnraum knapp und unleistbar ist, den Unternehmen Fachkräfte fehlen und zu viel Zeit für Bürokratie draufgeht; wenn das Gefühl vorherrscht, dass für globale Konflikte und Menschen, die nicht in Deutschland geboren sind, Geld da ist, nicht aber für die Bevölkerung.
Und wenn es nur öffentlich ausgetragene Hahnenkämpfe in der Frage gibt: Wie soll all das finanziert werden?
Diese Frage ist schon jetzt Knackpunkt der potenziellen österreichischen Dreierkoalition: Ausgaben wie Klimabonus streichen? Oder lieber Steuern erhöhen – für Reiche, Banken oder Grundbesitzer?
Die Bevölkerung muss das Gefühl haben, dass sich an der eigenen wirtschaftlichen Lage etwas bessert. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, "Sanktionen" für Integrationsverweigerer oder ein "Zuckerl" wie ein mögliches Verbot von ungefragt versendeten Penisbildern reichen nicht.
Mit zu viel Ideologie gelingt keine Koalition; dass man dem Koalitionspartner auch Erfolge gönnen muss und nicht immer auf die nächste Wahl schauen darf – auch das könnte Österreich aus dem Scheitern der deutschen Dreierkoalition lernen.
Was geschah mit den anderen beiden SPD-Kanzlern, die auf vorgezogene Neuwahlen setzten?
Der eine gewann haushoch. Der andere, Gerhard Schröder, verlor gegen CDU-Kandidatin Angela Merkel und ist heute einer der unbeliebtesten Ex-Kanzler der Bundesrepublik.
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