Schluss mit der Wahlkampfrhetorik
Martina Salomon
24.10.24, 18:00Die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung müsse geschlossen werden, wünschte sich FPÖ-Chef Herbert Kickl bei der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments, und er sprach auch von Respekt.
Ja, das sind hehre Anliegen, die aber auch die Freiheitlichen beherzigen sollten, die das Volk oft genug gegen die Regierenden verantwortungslos aufgehetzt haben.
Respekt für neue Regierung?
Werden sie, voraussichtlich zur Opposition verdammt, diesen Respekt auch dann aufbringen, wenn die nächste Regierung unpopuläre Maßnahmen ergreift? Die sind leider nötig, muss diese neue Koalition doch nicht weniger, als den Abstieg Österreichs aufhalten: Von der Wirtschaft über das Gesundheits- bis zum Bildungssystem ist alles ins Rutschen geraten, und im Budget fehlt der Spielraum für neue Wohltaten.
Leider stand das vom Bundespräsidenten herbeigewünschte Rot-Schwarz in der Vergangenheit oft für zähneknirschenden Stillstand und Verdruss, das kann sich Österreich aber nicht mehr leisten. (Man darf übrigens gespannt sein, wie sehr Van der Bellen versuchen wird, die Grünen doch noch in die nächste Regierung zu bugsieren.) Den Koalitionsverhandlern von Rot und Schwarz ist hoffentlich klar, dass weder die bisherige schwarze Gießkannenpolitik noch die roten Arbeitszeitverkürzungsträume vernünftig sind. „Kompromisse finden, aufeinander zugehen, Gräben zuschütten“: Davon sprach ÖVP-Chef Karl Nehammer in seiner Parlamentsrede.
"Ernsthafte Reformen"
Gewiss ist das nötig, dennoch schwierig, weil die diametral auseinanderliegenden Parteien dennoch ein paar Prestigeprojekte durchbringen wollen. Man könnte ja zum Beispiel die von der SPÖ so sehr gewünschte und von Schwarz und Pink abgelehnte Erbschaftssteuer wieder einführen – aber nur für jene, die nicht in direkter Linie verwandt sind. Natürlich würde das auch alle Organisationen treffen, die sich über einen immer reichlicheren Geldregen kinderloser Reicher freuen.
Sind solche Lösungen mit Andreas Babler möglich? Nach seinem ersten Auftritt im Nationalrat ist das schwer vorstellbar. Er zeigte sich wie Grünen-Chef Werner Kogler weiterhin im Wahlkampfmodus. Kogler weigerte sich, den „Weihrauchkessel“ auszupacken und schwang unnötigerweise die Nazi-Keule. Babler kritisierte die alte Regierung, will jedoch immerhin Optimismus verbreiten und die Lebensrealitäten der Menschen berücksichtigen. In Ordnung. Aber das sollte auch die Realitäten des Wirtschaftsstandortes mit einschließen, der keinen neuen Klassenkampf verträgt.
Der möglicherweise Dritten im Bunde der nächsten Regierung, Beate Meinl-Reisinger, ist zu verdanken, dass am Donnerstag auch die Notwendigkeit „ernsthafter Reformen“ angesprochen wurde. Und: „Kein Weiter, wie bisher.“ Wohl wahr. Ihr Wort in Nehammers und Bablers Ohr.
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