Reaktionen auf Handkes Nobelpreis: Für Jelinek "höchste Zeit"

Frau Jelinek
Für Bundespräsident Van der Bellen ist es ein "geglückter Tag". Scharfe Kritik gab es aber auch für Handkes Serbien-Engagement.

Begeistert hat Elfriede Jelinek auf die Vergabe des Literaturnobelpreises 2019 an Peter Handke reagiert. "Großartig! Er wäre auf jeden Fall schon vor mir dran gewesen", schrieb die Autorin der APA. Für Jelinek, die den Preis selbst 2004 erhalten hatte, war es "höchste Zeit!" Sie freue sich auch, dass die Auszeichnung an jemanden gehe, "auf den sie in Österreich endlich stolz sein werden".

Knapp, aber euphorisch hat Peter Handkes Schriftstellerkollege Michael Köhlmeier auf die Nachricht des Literaturnobelpreises reagiert: "Es freut mich außerordentlich. Der größte Poet unserer Sprache hat den Preis bekommen."   

Peymann: "Die schönste Nachricht!"

Mit großer Freude hat der ehemalige Burgtheaterdirektor Claus Peymann, der mit Peter Handke zahlreiche Stücke als Regisseur erarbeitete, auf die Entscheidung reagiert. "Dass Peter Handke den Nobelpreis für Literatur bekommt, ist die schönste Nachricht!", so Peymann schriftlich auf APA-Anfrage. "Handke ist ein Dichter, durch dessen Augen wir die Welt anders sehen."

"Die Heldinnen und Helden seiner Romane und seiner Stücke begleiten uns weiter, auch nachdem wir die Bücher zugeklappt und die Theater verlassen haben. Das Theater verdankt ihm viel - ich verdanke ihm viel! -, und auch deshalb macht die Nachricht vom Nobelpreis Mut und Hoffnung. Das Theater braucht Poesie, Geheimnis und Stille - gegen die Raumverdränger und das Gegenwartsgeplapper unserer Zeit. Der Nobelpreis möge Handke bestärken, mit uns und für uns weiter daran zu glauben."

Für Burgtheaterdirektor Martin Kusej ist Handke "ein enorm wichtiger Künstler und eine faszinierende Künstlerpersönlichkeit", wie er in einem der APA übermittelten Statement erklärt. Er habe erst nach einer Probe davon erfahren und sich "einfach nur gefreut. Ich bin mit Peter Handkes Literatur aufgewachsen." Handke sei ein Autor, "der nicht nur das Theater, sondern auch die Sprache immer wieder infrage stellt - seine Texte sind damit für das Theater auch eine Herausforderung." Er kenne ihn persönlich noch gar nicht so lange, "habe ihn aber immer als sehr warmherzigen, fast väterlichen Menschen erlebt, der aber auch einen fast beißenden, zynischen Ton anschlagen kann". Natürlich werde das Burgtheater "auch ein Stück von Peter Handke in unserem zukünftigen Spielplan haben, allerdings hat das nichts mit dem Nobelpreis zu tun - das hatten wir ohnehin schon länger vor".

Politik zeigt sich beglückt

"Ein 'geglückter' Tag - jedenfalls für die österreichische Literatur, für die Literatur überhaupt" ist die Nobelpreisvergabe an Peter Handke für Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Mit Handke habe "ein Autor den Nobelpreis gewonnen, dessen leise und eindringliche Stimme seit Jahrzehnten Welten, Orte und Menschen entwirft, die faszinierender nicht sein könnten", hieß es in einer Aussendung.

Handke "leuchtet die Zwischenräume des Daseins aus und wirft einen behutsamen Blick auf das Fühlen und Denken seiner Figuren. In einem Ton, der schnörkellos und doch einzigartig ist, lässt er uns, die Leserinnen und Leser an seiner Welt und Sprache teilhaben", betonte Van der Bellen." Wir haben Peter Handke viel zu verdanken. Ich hoffe, er weiß das."

"Höchst verdient und eine würdige Anerkennung für ein literarisches Ausnahmetalent" ist Handkes Nobelpreis für Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Kulturminister Alexander Schallenberg. "Handke hat Generationen von Leserinnen und Lesern bewegt", hieß es in einer Aussendung.

"Durch eine unglaubliche Fülle an Werken sowie seine unvergleichbare poetische Sprache habe Handke dem 'Gewicht der Welt' Ausdruck verliehen", meinten der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (beide SPÖ)."Für sein unermüdliches Schaffen und sein Insistieren auf differenzierte Wahrnehmung von dem, was uns umgibt, müssen wir ihm dankbar sein."

Kurz: "Wichtige Visitenkarte für Österreich"

"Eine wertvolle & zeitlose Bereicherung sowie eine wichtige Visitenkarte für Österreich in der Welt" nannte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz auf Twitter das Werk von Nobelpreisträger Peter Handke. "Seine Auseinandersetzung mit Sprache, die ein wesentlicher Ausdruck von Kultur und Werten ist, ist bis heute ein Meilenstein in der Literaturgeschichte", so Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Für SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda ist die Entscheidung für Handke "die längst fällige Anerkennung für einen der wichtigsten deutschsprachigen Autoren und Dramatiker als Literat von Weltrang. Sprache ist sein Instrument zur Erfahrung und Vermittlung der Welt, mit der er sich immer kritisch auseinandersetzt." Der Schriftsteller sei ein manchmal auch umstrittener politischer Künstler, etwa durch seine Unterstützung für den serbischen Politiker Slobodan Milosevic: "Ein kritischer, streitbarer österreichischer Künstler, der sich den Nobelpreis - für den er schon einige Jahre im Gespräch war - absolut verdient hat", so Drozda.

Neos-Kultursprecher Sepp Schellhorn bezeichnete Handke als "außergewöhnlichen Schriftsteller, der noch nie mit dem Strom geschwommen ist und immer seinen eigenen Weg gegangen ist, sowohl inhaltlich als auch sprachlich". Mit dem Autor verbinde ihn nicht nur die gemeinsame Freundschaft zu seinem Lektor Raimund Fellinger und zu seinem Lieblingsschauspieler Jens Harzer. "Peter Handke als ständiger Wegbegleiter und Beobachter der Natur hat meine Sensibilität und Offenheit gefördert. Seine Beschreibungen rissen mir in all den Jahren das Hirn auf - ab meinem Einstiegswerk 'Wunschloses Unglück' über 'Publikumsbeschimpfung' bis zu 'Die Schönen Tage von Aranjuez'."

"Čestitamo zelo toplo!", gratulierte die künftige Grüne Nationalratsabgeordnete und "leidenschaftliche Handke-Leserin" Eva Blimlinger auf Slowenisch. Gemeinsam mit der Preisträgerin 2004, Elfriede Jelinek, zählten Handkes Werke zur Weltliteratur - "übersetzt in zahlreiche Sprachen, seine Dramen gespielt auf den Bühnen der Welt, geachtet und umstritten, immer leise und doch laut in seiner Dichtkunst und seinen Positionen. Es sind Menschen wie Peter Handke, denen wir in Österreich zu danken haben."
 

Reaktionen aus Kärnten: "Seltsamer Zufall"

Freude herrschte auch beim Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Die Erfolgsmeldung passe auf den Landesfeiertag und sei "das zweite historische Ereignis am 10. Oktober für ganz Kärnten", hieß es in einer Aussendung. Handke war 2018 mit dem Kärntner Landesorden in Gold ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung hatte im Vorfeld allerdings für Debatten und sogar eine Richtlinienänderung gesorgt. Da der Landesorden in Gold nämlich vornehmlich Politikern vorbehalten war, hätte Handke "nur" den Landesorden in Silber erhalten sollen. Nach einer breiten öffentlichen Diskussion war die Verleihung von Ehrenzeichen neu geregelt worden.

Überglücklich ist der Klagenfurter Verleger Lojze Wieser angesichts des Nobelpreises für Peter Handke. Es sei die Stunde gewesen, "da wir nicht mehr daran glaubten", in der es dann doch geschah, meinte er gegenüber der APA. Er bezeichnete Handke als den "größten Spracherneuerer aus dem Widerspruch dieses Landes heraus". Begeisterte Reaktionen gab es auch aus dem Stadttheater Klagenfurt.

Es sei auch ein seltsamer Zufall, dass der Nobelpreis für den zweisprachigen Autor ausgerechnet am Gedenktag von Abwehrkampf und Volksabstimmung, dem 10. Oktober, bekanntgemacht worden sei, ebenso wie die Tatsache, dass das Handke-Stück "Die Stunde da wir nichts voneinander wußten" an diesem Abend Premiere im Stadttheater Klagenfurt habe, so Wieser. Im Wieser Verlag sind einige Texte von Peter Handke erschienen. Dazu gehören in der "Kleinen Reihe" die Gespräche Handkes mit Joze Horvat unter dem Titel "Noch einmal vom Neunten Land", unter "Gehört Gelesen" der Titel "Die Sprachauseinanderdriftung", weiters eine Sonderedition zum 70. Geburtstag des Autors oder etwa "Immer noch Sturm" in slowenischer Sprache.

"Wir sind ein Haus im Glück", brachte Florian Scholz, der Intendant des Klagenfurter Stadttheaters, gegenüber der APA die Stimmung auf den Punkt. Und mit Blick auf die Premiere des Handke-Stücks am Abend sagte er: "Wir sind euphorisch, weil wir uns ja intensiv mit dem Universum von Handke beschäftigt haben. Wir sind emotional und gedanklich bei ihm. Wir gratulieren von ganzem Herzen, die Auszeichnung ist gleich in doppelter Hinsicht schön." Handke habe ihm zugesagt, dass er sich eine der Aufführungen am Stadttheater ansehen möchte. Erstmals werde das Stück, so wie von Handke vorgesehen, mit zwölf Schauspielern aufgeführt: "Die Schauspieler stammen aus Afghanistan, Israel, Frankreich, Italien und Österreich. Diese Idee hat Handke auch sehr gefallen, dass wir eine Truppe aus aller Welt haben."

Die Neuigkeit berühre ihn auf einer "so intensiven, emotionalen Ebene", dass ihm fast die Worte fehlen, sagte der Bürgermeister von Handkes Geburtsort Griffen, Josef Müller (ÖVP), im Gespräch mit der APA: "Der Nobelpreis ist eine Auszeichnung, die er wirklich verdient, es macht die ganze Gemeinde sehr stolz." Man werde sich sicher Gedanken machen, was in Griffen anlässlich der Auszeichnung geschehen wird: "Aber das Ganze ist sehr frisch, das muss man erst einmal wirken lassen."

Literaturwissenschafterin Daniela Strigl betonte in einer ORF-"Zeit im Bild" die Bedeutung der Handke-Entscheidung für die Literatur an sich: "Es ist schon auch über Österreich hinausgehend ein Preis, der eine Literatur der Bedächtigkeit und Langsamkeit stark macht, gegen eine marktgängige Literatur des flotten Erzählens."

Die deutsche Regisseurin Corinna Belz hat Handke für das Film-Porträt "Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte..." über drei Jahre lang begleitet. Sie freute sich über "ein gutes Zeichen für die Literatur", so Belz in einer schriftlichen Stellungnahme. "Großartige Wahl einer neuen Jury."

Suhrkamp Verlag "unglaublich stolz"

"Was wird der Suhrkamp-Verlag jetzt tun, nachdem Peter Handke den Literaturnobelpreis erhalten hat?" - "Drucken! Drucken! Drucken!" antwortete Petra Hardt, Leiterin der Abteilung Rechte und Lizenzen des Verlags, am Donnerstagnachmittag freudestrahlend auf die Frage der APA. In einem Monat geht sie in Pension, und der Nobelpreis an Peter Handke so knapp davor ist der Höhepunkt ihrer Karriere.

Jonathan Landgrebe, Geschäftsführer des Suhrkamp Verlags, begrüßt zwei Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung des Nobelpreiskomitees eine Handvoll Journalisten und Kameraleute, und schafft es in fünf Minuten, den Stolz des Verlages in wohldosierten Worten auszudrücken. "Wir sind unglaublich stolz und froh, wir feiern hier den großen Moment - den großen Moment für alle, die lesen!"

Mehr als 70 Handke-Werke hat Suhrkamp seit 1965 verlegt, alle ständig weltweit lieferbar. In 70 Sprachen wurde Handke übersetzt, weitere Sprachen werden folgen. Am Handke-Zitat "Wer sagt denn, dass die Welt schon entdeckt ist?" macht Landgrebe fest, dass jedes neue Buch Handkes, "dieses traditionell revolutionären Weltentdeckers", eine Überraschung sei. Mit der Einladung "an alle, mit Peter Handke die Welt zu entdecken", beendete Landgrebe seine kurze Rede, gefolgt von minutenlangem Beifall und Gejohle der 110 Mitarbeiter, die sich hinter den Journalistenreihen drängen und mit Sekt anstoßen.

Ein paar Fragen tauchen auf, etwa wo denn Handke, in der Nähe von Paris wohnhaft, derzeit sei und ob Suhrkamp mit ihm schon Kontakt gehabt habe. "Wie immer sind wir in engem Kontakt. Das ist alles, was ich zu sagen haben." Und wie Handke denn reagiert habe? "Er wird selbst reagieren." Ähnlich 

Handke-Verleger Jung: "Wahrlich verdient"

Der Salzburger Verleger und Autor Jochen Jung findet die Auszeichnung von Peter Handke mit dem Literaturnobelpreis "natürlich großartig", wie er im Gespräch mit der APA festhielt. "Er hat es wahrlich verdient, schon lange. Und ich bin sehr glücklich, dass er ihn jetzt gekriegt hat." In seinem Verlag Jung und Jung sind mehrere Werke Handkes erschienen.

"Er hat eine besondere Rolle in unserer Literatur durch seine Arbeit. Wenn das jetzt ausgezeichnet wird, kann man nur hoffen, dass sich viele Leuten mit seiner Literatur beschäftigen." Dazu zähle Jung "in erster Linie seine Tagebücher und Notizbücher - nicht nur, weil die bei Jung und Jung erschienen sind, sondern weil sie eine eigene Art von Literatur geworden sind, die er ganz großartig im Griff hat. Man muss eine Art von Lesen mitbringen, an die wir eigentlich nicht mehr gewöhnt sind."

Für Handke benötige man Zeit, gab Jung zu verstehen. "Was er macht, ist Literatur, die eigentlich wie Lyrik ist. Eine Literatur, die Sie zur Konzentration bei jeder Formulierung und jedem Satz auffordert. Es ist eine Art des konzentrierten Lesens, wie es sein sollte." Da heute die Preise für 2018 und 2019 in Stockholm bekanntgegeben wurden, habe sich Jung gedacht: "Jetzt könnte er ihn doch kriegen." Persönlich habe er Peter Handke noch nicht gratulieren können. "Ich denke, er wird den Hörer beiseitegelegt haben."

Sehr erfreut zeigte sich auch Autorin Julya Rabinowich auf Twitter: "Ich hab mich beim Handke!!!! Tweeten gefühlt wie andere beim Tor!!!! schreien", ließ sie wissen und bemerkte abschließend: "Ich hätte auch gern für Ljudmila Ulitzkaja Tor!!!!! geschrien." Die Russin war zuletzt ebenfalls als aussichtsreiche Kandidatin für die Auszeichnung gehandelt worden.

Scheck: "Ohrfeige" für politische Korrektheit

Der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck hat die Vergabe der Nobelpreise an den österreichischen Schriftsteller Peter Handke und die polnische Autorin Olga Tokarczuk begrüßt. Es sei ein großer Tag für die Literatur und eine sehr mutige Entscheidung, sagte der Fernsehkritiker der dpa. Die Auswahl, bei der zwei Europäer zum Zuge kamen, sei eine überfällige Rückkehr zu ästhetischen Kriterien.

"Die politische Korrektheit hat eine krachende Ohrfeige erhalten, eine Niederlage erlitten", sagte Scheck mit Blick auf Handke. Dieser sei einer der großen Provokateure - er beweise, dass man sich politisch total verlaufen und gleichzeitig Weltliteratur schreiben könne. Handke sei ein "würdiger Preisträger", so Scheck. Der Schriftsteller, Nobelpreisträger 2019, war für seine Haltung im Balkan-Konflikt heftig kritisiert worden. Er stand auf der Seite Serbiens, verurteilte die Nato für ihre Luftschläge und hielt 2006 bei der Beerdigung des jugoslawischen Ex-Diktators Slobodan Milosevic eine Rede.

Auch Olga Tokarczuk, die Preisträgerin 2018, hält Scheck für eine gute Wahl. Sie sei eine große, sensible Erzählerin der Migration, des Unterwegs-Seins.

"Washington Post": Akademie "in neuen Skandal gestolpert"

Äußerst kritisch kommentiert die Washington Post die Verleihung des Literaturnobelpreises an Handke: "Handkes Sieg kommt nicht ohne Kontroverse. Das Komitee, das so darauf bedacht war, die jüngsten Skandale hinter sich zu lassen, könnte gerade in einen neuen gestolpert sein", heißt es. Kollegen wie Salman Rushdie hätten schon früher alarmiert auf Handkes Kuschelkurs mit Serbien reagiert.

Auch der kosovarische Botschafter der USA, Vlora Citaku, habe die Zuerkennung des Nobelpreises an Handke umgehend verurteilt. Der britische Guardian zitiert den slowenischen Philosophen Slavoj Zizek, der auf Handkes frühere Aussage, der Literaturnobelpreis gehöre abgeschafft, sagt: Die heurige Entscheidung beweise, "dass Handke recht hatte". "Das ist Schweden heute", so Zizek. "Ein Apologet von Kriegsverbrechen bekommt den Nobelpreis, während das Land einen wesentlichen Beitrag zum Charaktermord des wahren Helden unserer Zeit, Julian Assange, geleistet hat. Unsere Reaktion sollte sein: Nicht den Literaturnobelpreis für Handke, sondern den Friedensnobelpreis für Assange."

Kritik von Gesellschaft für bedrohte Völker

In die positiven Stimmen mischte sich bisher nur wenig Kritik. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Verleihung des Literaturnobelpreises an Handke kritisiert. "Während des Bosnienkrieges hat sich Handke bedingungslos an die Seite serbischer Kriegsverbrecher gestellt", hieß es in einer Mitteilung der nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisation am Donnerstag.

Handke habe dem als Kriegsverbrecher angeklagten serbischen Politiker Milosevic bis zu dessen Tod im Den Haager Gefängnis 2006 die Treue gehalten. "Es ist vollkommen unverständlich, warum das Nobelpreiskomitee die intellektuelle Unterstützung für den Völkermord auszeichnet", so die GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung Jasna Causevic.
 

"Gesamtwerk obsiegt" über Serbien-Kontroverse

Der Grazer Germanist und Handke-Experte Klaus Kastberger betonte in einer schriftlichen Reaktion nicht nur die Vielseitigkeit Handke ("Es ist da mit Sicherheit für jeden etwas dabei"), sondern auch, dass sich angesichts der teils kritisierten Äußerungen zu Jugoslawien letztlich doch noch das "literarische Gesamtwerk" des Kärntners durchgesetzt habe.

"Von Peter Handke wurde bisher gesagt, dass er mit seinen Äußerungen zu Jugoslawien den Nobelpreis verspielt hätte. Jetzt hat er ihn, aber was heißt das? Dass in den Überlegungen der Jury letztlich doch sein literarisches Gesamtwerk obsiegt hat", so Kastberger gegenüber der APA. "Tatsächlich gibt es viele Handkes, und es ist da mit Sicherheit für jeden etwas dabei: der frühe Sprachrebell auch gegen die Gruppe 47, die Kultbücher der 70er-Jahre über die eigene Mutter und Amerika; die vollständige Wende ins Innere mit langsamer Heimkehr; die Journale und Versuche; das österreichische Staatsdrama 'Immer noch Sturm' in Form einer Familienaufstellung."

Handke habe aus Kastbergers Sicht überall "formal innovativ gewirkt und ist dabei doch einem literarischen Grundprogramm treu geblieben: die erhöhte Sensitivität in der sinnlichen Erfahrung der Welt. Du musst dort und der Dinge ansichtig gewesen sein, sagt Handke mit jeder Zeile, die er schreibt. Im Rahmen des politischen Diskurses über Jugoslawien war dieser Ansatz zum Scheitern verurteilt, weshalb Handke danach auch nur noch ein Idiot sein wollte. Im antiken Sinn des Wortes, nämlich als eine Privatperson, die sich heraushält."

Die Verleihung des Nobelpreises hole Handke nun zurück auf die ganz große Bühne. "Allen Stimmen zum Trotz, die ihre Meinung zu Handke vor zwanzig Jahren in Blei gegossen haben und diese bis heute bei jeder Erwähnung seines Namens klischeehaft wiederholen, zeigt diese Entscheidung auch, dass Literatur ein stetes Medium der Einmischung ist. Was sich Handke am meisten wünscht, sind ernsthafte Leserinnen und Leser. Ich wünsche ihm, dass dieser Nobelpreis aus einer Zeit stammen möge, als das Wünschen noch geholfen hat."

Für Bernhard Fetz, den Direktor des Literaturmuseums, ist Peter Handke sowohl "ein österreichischer Autor mit slowenischen Wurzeln", als auch ein "großer europäischer Autor mit Wohnsitz in Frankreich", wie es in einer Reaktion gegenüber der APA hieß. "Und nicht erst durch den Nobelpreis ein Weltautor. Seine Fähigkeit zur literarischen Wahrnehmung von Welt jenseits des Aktuellen steht völlig einzigartig da. Handke ist ein Übersetzer zwischen den Sprachen und Kulturen und liefert mit seinem Lebenswerk einen Gegenentwurf zur medialen Bilderflut."

Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, gratulierte Handke in einem Statement gegenüber der APA "zu dieser großen und wichtigen Auszeichnung". Sie sei sehr stolz, dass die Nationalbibliothek über "bedeutende Sammlungen zu seinem herausragenden Werk verwahrt".

Dem Gratulationsreigen schloss sich auch die IG Autorinnen Autoren in einer Aussendung an. Den Nobelpreis habe Handke "für seine nie irgendwelchen Moden oder irgendwelchen Anpassungserfordernissen unterworfene, einzigartige Schreibhaltung erhalten". Wie kein Zweiter verkörpere er "die Autonomie des Schriftstellers, die auch dann gilt, wenn es unbequem wird. Peter Handke zeigt, man kann sich mit dem gesamten Feuilleton anlegen (sein Serbien-Engagement) und sich nicht den Marktgesetzmäßigkeiten unterwerfen (seine Ablehnung der Teilnahme beim Deutschen Buchpreis) kann und trotzdem oder gerade deshalb als Schriftsteller bestehen."

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