Macrons Moment – Europa atmet auf

Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Heilsbringer für die EU wird auch Macron nicht sein. Aber ein dringend nötiger Anschieber.

von Mag. Ingrid Steiner-Gashi

über Frankreichs neuen Präsidenten

Für die von Krisen geschüttelte EU ist es ein Glücksschub: ein französischer Präsident Macron. Sie mag sich nicht so angefühlt haben – aber diese Präsidentenwahl war für Frankreich eine Revolution. Sie hat die traditionellen Volksparteien, Sozialisten und Konservative, schwer beschädigt zurückgelassen. Und sie hat den rechts-populistischen Front National längerfristig zur stärksten Oppositionskraft des Landes geformt.

Als Le Pen, der Vater, vor 15 Jahren gegen den bürgerlichen Jacques Chirac in den Ring stieg, boten eindrucksvolle 82 Prozent der Wähler einen Abwehrwall gegen den Rechtsextremisten. Dieser Wall wackelte am Sonntag nicht extrem gefährlich, aber doch bedenklich, Marine Le Pen hat gegenüber ihrem Vater den Wähleranteil fast verdoppelt. Nie haben mehr Menschen in Frankreich für eine rechtspopulistische, fremden- und islamfeindliche Partei gestimmt als an diesem Wahltag.

Und doch hat sich inmitten des Frusts vieler Wähler, vom politischen System abgekoppelt und von der Globalisierung überrollt worden zu sein, die Sensation ereignet: Emmanuel Macron zieht in den französischen Präsidentenpalast ein. Dass dem 39-jährigen Ex-Banker gelang, in nur einem Jahr eine neue Bewegung auf die Beine zu stellen und damit auch gleich den Elysee-Palast zu erobern, ist nicht nur der Schwäche von Sozialisten und Konservativen geschuldet. Und es hat auch nicht nur damit zu tun, dass seine Kontrahenten auf der populistischen Seite – von Marine Le Pen bis Jean-Luc Melenchon – keine wirklich glaubhaften Alternativen bieten konnten.

Ein bisschen links, ein bisschen rechts

So ist Emmanuel Macrons Wahlsieg zu einem großen Teil sein eigener Verdienst. Mit seinem sozial-liberalen Reformprogramm vermittelte er glaubhaft den Wunsch, die Gesellschaft modernisieren, gestalten und verbessern zu wollen. Entschlossen fröhlich stellte sich Macron mieser Stimmungslage, Wählerwut und Frust entgegen. Seine Pläne: ein bisschen links, ein bisschen rechts, blieben zwar vage – versprachen aber Optimismus, Weltoffenheit und den Willen, Dinge anpacken zu können. Also ziemlich das Gegenteil dessen, was Marine Le Pen ihren Anhängern insinuiert hatte: Ausgrenzung, Abschottung, Protektionismus.

Am erstaunlichsten aber ist wohl Macrons offenes, geradezu euphorisches Bekenntnis zur EU. In Zeiten, wo europäische Politiker Brüssel gerne als Sünden- und Prellbock für alles missbrauchen, was irgendwie schiefläuft, mutet Macrons Europa-begeisterter Kurs fast irritierend an. Ein Politiker, der sich für die EU in die Bresche wirft? Und einer, der damit auch erfolgreich Wählerstimmen lukriert? Einer, der die Europäische Union als große Errungenschaft ansieht, die man aber auch reformieren muss.

Von Brexit über Migrationsfragen bis hin zur längst nicht ausgestandenen Euro-Krise – die von inneren Verwerfungen geschüttelte EU kann vorerst aufatmen. Das schlimmste aller Szenarien – ein Sieg der Europa-Feindin Marine Le Pen – hat sich nicht bewahrheitet. Der Heilsbringer für die EU wird auch Emmanuel Macron nicht sein. Wohl aber ein dringend nötiger Anschieber und Impulsgeber für jene, die sich selbst als Europäer sehen.

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