Justizschelte mit Nebenwirkung
Daniela Kittner
08.02.20, 05:00Nachdem einige Medien die Vertraulichkeit ohnehin gebrochen haben, eine Zusammenfassung dessen, was am Abend des 20. Jänner in der Politischen Akademie geschah: Sebastian Kurz war gerade wieder Kanzler geworden. Er gab vor einigen Dutzend leitenden Politik-Redakteuren einen Rückblick auf seine Entscheidung für die Grünen als Regierungspartner und auf die Koalitionsverhandlungen. Viele Themen kamen auf den Tisch, auch seitens der Journalisten.
Off-Record-Gespräche sind international üblich und folgen allgemein akzeptierten Vertraulichkeitsregeln. So führte Kurz zuletzt auch in Berlin eines. Mehr als ein Dutzend deutsche Journalisten kamen an die österreichische Botschaft und stellten Fragen. Die Journalisten erfahren bei solchen Gelegenheiten Zusammenhänge und Details, die ein Politiker offiziell nicht sagt. Im Grunde dient es der Recherche.
Hintergrundgespräche liefern oft auch Hinweise auf Konfliktzonen oder sonstige Brenzligkeiten, wo es gilt, wachsam zu sein. Die Aussagen von Kurz über die Justiz fallen in diese Kategorie. Er sprach davon, dass die SPÖ seit Kreisky die Strategie verfolge, Parteigänger in Institutionen zu postieren, die ihr dafür Dank abstatten. So auch in der Justiz. Konkret bezichtigte er die Korruptionsstaatsanwaltschaft, im Zusammenspiel mit bestimmten Medien Parteipolitik zu betreiben. Kurz schilderte einige, aus seiner Sicht untergriffige Vorkommnisse.
Es waren übrigens ein Kollege von der Presse und der KURIER, die auf die Justizschelte des Kanzlers sofort und mit heftigen Nachfragen reagierten. Kurz lieferte die Aussage nach, wonach er nicht daran denke, irgendwie tätig zu werden, denn "das wäre ja ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz". Er wolle jedoch die Journalisten auf parteipolitische Schlagseiten "sensibilisieren".
Den Verfassungsgerichtshof hat er, entgegen Behauptungen, nicht kritisiert, sondern den Umstand, dass die Parteien diesen politisch besetzen, sodass man von jedem Höchstrichter das Parteibuch kenne.
ÖVP-Meisterschaft
War es Absicht? War es Emotion nach einem Wahlkampf voller Skandalisierung? Was immer Kurz zu seinen Aussagen trieb, eines ist klar: Er stellte damit die Korruptionsjäger erst recht unter einen Glassturz. Es musste ihm bewusst sein, dass Journalisten aus allen seriösen Medien des Landes nun noch genauer hinschauen würden, was bei der – laut Regierungsprogramm – "Evaluierung" der Korruptionsbekämpfung herauskommen wird.
Und wenn dem Kanzler schon so vor parteipolitischen Postenbesetzungen in der Justiz graut, dann könnte er mit gutem Beispiel vorangehen: Die ÖVP genießt in dieser Disziplin den Ruf der Meisterschaft.
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