Helden und Maulhelden: Wie der Westen mit Putin umgeht

Helden und Maulhelden: Wie der Westen mit Putin umgeht
Der Krieg trifft die Achillesferse der Politik: dort, wo man Wählern reinen Wein einschenken und Lasten aufbürden muss.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Als hätte es die Bilder aus dem Ort Butscha noch gebraucht, um eines klarzustellen: Dieser Krieg hat eine Dimension der Gewalt nach Europa getragen, von der wir meinten, sie längst in den Geschichtsbüchern geparkt zu haben. Dieser Dimension kann die Politik der westlichen Demokratien nur begegnen, indem sie ebenfalls neue Maßstäbe für ihr Handeln setzt. Wohlgemerkt, für ihr Handeln, nicht für die Worte, die ihre Akteure seit Wochen auf der weltpolitischen Bühne von sich geben. Da redet man ja gerne groß von diesem Krieg, dem die Politik mit ganz neuen Spielregeln entgegentreten müsse.

Und groß holte man auch anfangs aus: Sanktionen wurden im Stakkato verhängt, russische Oligarchen für quasi vogelfrei erklärt. Nun aber dämmert all den Entscheidungsträgern, dass der Weg, den man eingeschlagen hat, in eine Richtung weist, die von Umfragen, Wahlen und populistischen Rattenfängern geplagte Politiker lieber nicht beschreiten: dorthin, wo es den eigenen Bürgern wehtut. Gerade ein Staat wie Österreich, der sich vor ein paar Jahren noch mit Anlauf in die völlige Abhängigkeit von russischem Gas begeben hat, kann sich aus dieser Abhängigkeit nur lösen, wenn die Politik bereit ist, jenen Menschen schmerzhafte Belastungen aufzubürden, die sie doch demnächst wieder wählen sollen.

Bisher vermittelte die Politik ja den Eindruck, sie werde fürchterlich mit Putin ins Gericht gehen – und die einzige Aufgabe der Bürger sei es, zu applaudieren und blau-gelbe Fahnen zu schwenken.

Die Realität aber, die jetzt allmählich hinter der wortreich verkündeten Entschlossenheit auftaucht, sieht anders aus. Egal, ob jetzt Putin oder wir selbst den Gashahn abdrehen, es wird uns in eine Energiekrise inklusive dramatischer Preissteigerungen stürzen. Doch solange wir russisches Gas kaufen, finanzieren wir diesen Krieg, da können wir noch ein Dutzend anderer Sanktionsrunden drehen.

Die Rechtspopulisten von Le Pen in Frankreich über die Vox in Spanien bis zur FPÖ in Österreich haben den Ball längst aufgenommen. Die Klage, wie teuer dieser Krieg die Bürger jetzt komme, ist angestimmt. Sie wird es den Regierenden täglich schwerer machen, konsequent das zu verfolgen, was sie selbst zum moralischen Gebot der Stunde gemacht haben: den Krieg und vor allem Putin zu stoppen.

Da sucht Präsident Macron in Frankreich so rasch wie möglich irgendeinen Waffenstillstand herbeizuverhandeln, damit ihm die Preissteigerungen nicht die Wahlen kommenden Sonntag verhageln, Österreich und Deutschland versuchen, ihre Gasverträge mit Russland zu retten, und Ungarns gerade wiedergewählter Premier Orbán tut so, als ob ihn das alles gar nichts mehr anginge. So schnell wird aus Geschlossenheit Eigensinn und werden aus Helden Maulhelden.

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Konrad Kramar ist Redakteur im Außenpolitik-Ressort des KURIER.

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