Österreich wie Großbritannien hatte seine letzte Parlamentswahl im Herbst 2019 – seither ist in beiden Ländern so viel passiert, dass die Mehrheitsverhältnisse heute völlig anders aussähen. Da wie dort musste der damalige konservative Wahlsieger schwer belastet zurücktreten. Am Ballhausplatz wie in der Downing Street sitzt nunmehr der zweite Kanzler bzw. Premier im Amt, der sich keiner Wahl stellen musste. Dazwischen gab es in Wien wie in London eine Kurzzeitlösung – hier war Alexander Schallenberg 56 Tage im Amt, dort Liz Truss 45 Tage, dear, oh dear. Und da wie dort kämpft nun der amtierende Regierungschef gegen die Schatten der eigenen Parteivergangenheit, anyway.
Wenn wir nun bezüglich Aufarbeitung in Österreich bleiben, rückt Thomas Schmid, zunächst Aufsteiger von ÖVP-Gnaden und dann gefallener Engel, in den Fokus. Seit er bei der WKStA tagelang ausgesagt hat, wird er mancherorts als Aufdeckungsheld, als großer Bekehrter, als vom Saulus zum Paulus Mutierter gefeiert. Dass ihm dafür Mahnungen seiner Mutter Anlass waren, passt fast in einen Sketch von Monty Python: das Finanzministerium, damals ein Ministry of silly talks.
Nun ist Schmids Geständnis wahrscheinlich tatsächlich der Wendepunkt für eine hoffentlich schonungslose Aufarbeitung, weil es ein Zeugnis für Machtrausch und -Missbrauch abgibt. Und unabhängig davon, was im Detail wirklich stimmt und wo Schmids Grenzen zwischen Erinnerung und Fantasie verschwimmen: Dank dieser Einvernahmen haben nun sowohl ÖVP als auch Grüne und die Oppositionsparteien Gelegenheit, mit dieser schwarzen türkisen Epoche aufzuräumen.
Allerdings darf man nicht vergessen, wer bei all dem Eingangstor für die Interventionen war, wer tatsächlich als „Hure der Reichen“ agiert hat, wer sich (zumindest in seiner Selbstwahrnehmung) um Dienstverträge und um Steuerprobleme von Verbündeten gekümmert hat. Schmid war die Drehscheibe für zahlreiche miese und viele fragwürdige Aktionen. Wenn diese herausbricht, droht das „House of Cards“ einzustürzen.
Man darf Wetten abschließen, wer zuerst wieder wählt, Großbritannien oder doch wir. In Österreich sind die Grünen das Zünglein an der Waage, in England ist es die eigene Partei des Premiers.
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