Europa - die digitale Weltohnmacht

Europa - die digitale Weltohnmacht
Macht und Reichtum von Staaten liegen heute in den Köpfen, Computern und Daten. Europa muss diesen Reichtum endlich besser nutzen
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Die Corona-Krise war ein Crash-Test für unsere digitalen Fähigkeiten: Praktisch über Nacht fand sich die Mehrheit von uns im Homeoffice wieder. Blitzartig mussten wir lernen, digital zu konferieren, kommunizieren, produzieren und uns umzustellen auf eine Arbeitswelt, die viel Altbewährt-Analoges für immer hinter sich lassen wird.

Dabei hätte es dieser erzwungenen Feuertaufe überhaupt nicht bedurft, um zu wissen, dass wir mitten in der digitalen Revolution stehen. Und dass wir in Europa angestrengt hinterherhinken, während die USA und China bereits die Maßstäbe für die Zukunft setzen.

Was wird sie nicht ständig zwischen Brüssel und allen Hauptstädten Europas beschworen – die dringende Notwendigkeit, „digitale Souveränität“ zu erlangen, also die Abhängigkeit von Silicon Valley zu verringern und nicht von China und dessen misstrauisch betrachteter, aber scheinbar unverzichtbarer 5G-Technologie überrollt zu werden.

Es geht aber nicht nur darum, eine Art europäisches Gegen-Amazon auf die Beine zu stellen, so wie es einst mit dem europäischen Gemeinschaftsherzeigeprojekt Airbus gelungen ist, dem amerikanischen Marktriesen Boeing entgegenzutreten.

Es geht um nichts anderes als um eine radikal neue, rundum-digitalisierte Welt.

Die EU-Kommission will diese mit einer ehrgeizigen Digitalisierungsstrategie modellieren: Als künftige „globale digitale Schlüsselfigur“ hofft man da, Europa zu positionieren.

Die – vereinfacht gesagte – Kernidee dahinter: Daten müssen schneller fließen und effizienter genutzt werden. Was so einfach klingt, bedarf herkulischer Anstrengungen bei Finanzen, Forschung, Kooperationen mit der Wirtschaft, Ausbau unserer Infrastruktur, Änderung unserer Lebensgewohnheiten, neuer Steuergerechtigkeit – und gemeinsamer europäischer Abwehr.

Denn China und USA werden wohl kaum einfach nur zusehen, wie Europa versucht, seinen Abstand zu verringern. Man darf sich auf Handelsstreitigkeiten und Spannungen vorbereiten.

Letztlich geht es um nichts anderes als die technologische und wirtschaftliche Weltführerschaft: Die Macht, der Reichtum und die Wirtschaftskraft von Staaten liegen nicht nicht mehr in Bodenschätzen, Land oder Industriebetrieben. Sie liegen in den Köpfen, Computern und Daten unserer Gesellschaften.

Die erste Runde dieser Entwicklung hat Europa kolossal verschlafen. Da bringen uns auch alle famos ausgearbeiteten Strategie-Papiere („Shaping Europe’s Digital Future“) der EU-Kommission nicht voran. Konkrete Vorschläge stehen noch aus, während die EU-Wirtschaftsminister – so wie heute – abnicken und zustimmen, dass die Digitalisierung in der EU in allen Bereichen unbedingt vorangetrieben werden muss.

So wahr – aber besser, es wäre schon gestern geschehen.

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