"Überwachung, die man wohl normal nicht akzeptieren würde"

"Überwachung, die man wohl normal nicht akzeptieren würde"
Algorithmen könnten bahnbrechend gegen die Pandemie wirken, sagt Charlotte Stix, junge Expertin für Künstliche Intelligenz. Doch die rettende Technik müsse immer auch von der ethischen Seite gesehen werden.

Am 30. Dezember des Vorjahres schlug das Startup BlueDot in Toronto Alarm: Das auf Künstliche Intelligenz (KI) basierende, maschinell lernende System ermittelte eine Häufung von „ungewöhnlichen Lungenentzündungs-Fällen“ rund um einen Markt im chinesischen Wuhan. Erstmals war das neue Coronavirus international aufgetaucht – neun Tage, bevor die Weltgesundheitsorganisation ihre erste Warnung herausgab. Schneller, und in manchen Bereichen sogar besser als Menschen, können KI-Systeme arbeiten.

Im Kampf gegen die Pandemie ist Künstliche Intelligenz ein Verbündeter – doch welche Gefahren birgt ihr massiver Einsatz? Und ist vom personen-bezogenen Tracking per Handy bis hin zu per KI entwickelten neuen Medikamenten alles erlaubt, was dem Kampf gegen das Virus dient? 

„Technologie an sich kann man als neutral ansehen“, sagt Charlotte Stix, „den Einsatz und Verwendungszweck aber nicht unbedingt. Die Frage ist auch, wie und wofür gesammelte Daten genutzt werden und unter welchen Rahmenbedingungen die Systeme aufgebaut wurden“.

Die brillante junge Expertin für Künstliche Intelligenz stammt aus Wien und legte bereits eine sensationelle Karrriere hin. Als Forscherin an der TU Eindhoven koordiniert Stix die aus 52 Mitgliedern bestehende, hochrangige Expertengruppe zur Künstliche Intelligenz in der EU-Kommission. Derzeit arbeitet sie von ihrem Home-Office in Brüssel aus.

Ihr Talent fällt international immer stärker auf: Vor kurzem wurde Charlotte Stix in der diesjährigen Forbes "30 unter 30 Liste" in Europa im Bereich Technologie (als einzige Österreicherin) ausgezeichnet: Sie führt einen frei zugänglichen Newsletter zu KI in Europa, den European AI Newsletter.

KURIER: In welchen konkreten Anwendungsbereichen kann Künstliche Intelligenz im Kampf gegen das Virus helfen?

Charlotte Stix: Man muss eine Balance finden, zwischen dem, was aus medizinischer Perspektive notwendig und dem, was ethisch vertretbar ist. Zum Beispiel könnte es sein, dass Geolokalisierung von Handydaten zum Ermitteln von Knotenpunkten, wo sich mehrere Leute versammeln, oder Bewegungsprofile von Infizierten hilfreich sind. Solche Analysen könnten aber auch ethisch fragwürdige Präzedenzfälle setzen, wo man sowohl eine Form von Überwachung hinzuzieht als auch eine Benutzung von Datensätzen, die man im Normalfall wahrscheinlich nicht so akzeptieren würde. Den Datenschutz darf man hier nicht außer Auge lassen.

Kommentare