Die Wutbürger haben ausgedient

Die Wutbürger haben ausgedient
Österreich hat die besten Voraussetzungen, nach der Krise wirtschaftlich aufzuerstehen. Diese Chance gilt es zu nutzen.
Robert Kleedorfer

Robert Kleedorfer

„Jammern ist der Gruß der Kaufleute.“ Dieser alte Spruch wird in Österreich von Wirtschaftstreibenden gerne gepflegt, gepaart mit dem vor allem in Wien vorherrschenden Raunzertum eine allzu oft bittere Melange. Unternehmer stehen sich mit dieser Herangehensweise damit vielfach selbst im Weg.

Ja, wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann gehört das aufgezeigt; etwa überbordende Bürokratie, anfangs stockende Coronahilfen oder zu hohe Lohnnebenkosten. So bleibt seit Jahren Arbeitnehmern nur in Belgien und Deutschland noch weniger vom Monatslohn netto übrig.

Und trotz der vorherrschenden Mentalität und gewisser staatlicher Hürden hat sich Österreich wirtschaftlich vielfach positiv entwickelt. Auch nach dem Krisenjahr 2020 halten sich Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Defizit im internationalen Vergleich noch in halbwegs vertretbaren Grenzen, das Wirtschaftswachstum ist respektabel. Die Exporte sowie Unternehmensgründungen boomen, der Tourismus beginnt sich zu erholen. Unternehmer und Mitarbeiter sind motiviert, anzupacken und dort weiterzumachen, wo sie vor Ausbruch der Pandemie aufgehört haben.

Chancen nutzen

Jetzt gilt es, die Chancen, die sich aus dem Neustart der Wirtschaft ergeben, zu nutzen. Entbürokratisierung, Ökologisierung und steuerliche Entlastung lauten die oft genannten Schlagwörter. Langsam wird es Zeit, diese mit Leben zu erfüllen.

Auch der (sanfte) Umbau der Wirtschaft hin zu neuen und zeitgemäßen Geschäftsfeldern wäre angebracht. Der Tourismus in allen Ehren, aber die Abhängigkeit von dieser Branche sollte verringert werden. Österreichs Wirtschaftseinbruch im Vorjahr fiel auch deshalb stärker aus, weil das dominierende Geschäft mit dem Fremdenverkehr darniederlag. Das Wachstum in diesem Bereich hat ohnehin irgendwann ein Ende, auf die Natur und die einheimische Bevölkerung (Stichwort Overtourism) muss auch Rücksicht genommen werden.

Nein, in Österreich wird wohl auf absehbare Zeit kein Weltraumbahnhof entstehen. Aber es gibt in dem Land das Know-how, entsprechende Güter zuzuliefern. Und das betrifft nicht nur neue Formen der Mobilität, sondern auch Umwelttechnik oder Internet-Applikationen. Die große Zahl an Hidden Champions spricht dafür. Österreich steht zudem für eine hohe Lebensqualität, die hilft, kluge Köpfe und Firmenhauptquartiere ins Land zu locken. Im Gegenzug müssen High Potentials und Start-ups mit Förderungen und entsprechender Wertschätzung im Land gehalten werden.

Wenn das alles oder noch mehr gelingt, dann gibt es kaum noch Gründe zum Jammern. Es liegt aber auch an uns allen – mehr Mut statt Wut.

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