"Hast du was zum Tanzen?"

Michel Comte zähmte Sylvester Stallone mit Rosenblättern auf den Augen. Zu sehen im Kunst Haus Wien.
Die Hoffnung, dass dieser Booking-Wahnsinn mit den enormen Gagen implodiert, habe ich schon lange.
Marco Weise

Marco Weise

Wie letzte Woche an dieser Stelle bereits angekündigt, gibt es dieses Mal den zweiten Teil des Gesprächs mit Rudi Wrany, der mit Ende Oktober aus dem wöchentlichen Partybetrieb im Wiener Flex aussteigen wird. Das Crazy, also die wöchentliche Veranstaltungsreihe am Dienstag, ist dann nach zwölf Jahren Geschichte.

KURIER: Warum wurde beim Crazy auf die kommerzielle Schiene in Sachen Booking gesetzt? Rudi Wrany: Ich habe mich freiwillig für die eher kommerzielle Schiene entschieden, da man damit unter der Woche die meisten Menschen erreichen kann. Durch die Vielzahl an Events am Wochenende ist es schwieriger geworden, die Leute unter der Woche zum Ausgehen zu animieren. Früher gab es am Freitag oder Samstag oftmals keine guten Veranstaltungen in Sachen elektronischer Musik. Deswegen haben die Leute am Dienstag im Flex beim Crazy vorbeigeschaut. Als ich mit dem Crazy begonnen habe, konnte man einfach (fast) jede Art von elektronischer Musik im Club spielen. Jetzt ist das nicht mehr möglich. Denn jetzt wollen die einen nur das hören, und die anderen nur das. Es ist eine Art Kastendenken entstanden. Dadurch gibt es aber auch viel mehr Auswahl als zu meiner Anfangszeit. Die Leute bleiben leider auch weg, wenn sie etwas nicht kennen – deshalb setzt man verstärkt auf Acts, die man von Namen her kennt – wie zum Beispiel Karotte, Oliver Koletzki oder Sascha Braemer. Aber ich habe in Sachen Programmierung über die Jahre auch viele unterschiedliche Sachen probiert und verschiedene Richtungen eingeschlagen – von Moonbootica bis Ricardo Villalobos. Heutzutage sind solche großen Acts ja kaum noch zu bezahlen. Denn die Gagen sind in den letzten Jahren extrem explodiert. Viele DJs, die früher im Flex am Dienstag gespielt haben, kann man sich einfach nicht mehr leisten.

"Hast du was zum Tanzen?"

Die horrenden Gagen gewisser Künstler stehen in keiner Relation mehr. Wohin wird dieser Booking-Wahnsinn führen? Die Hoffnung, dass dieser Booking-Wahnsinn mit den enormen Gagen irgendwann mal implodiert, habe ich schon lange. Aber ein Ende ist diesbezüglich noch nicht in Sicht. Das Problem ist einfach, dass die Künstler mit ihrer Musik kein Geld mehr verdienen und deshalb ihre Auftritts-Gagen immer mehr werden. Zu Meierei-Zeiten in den 1990er Jahren haben wir zu Spitzenzeiten rund 100 Schilling (7,50 Euro) Eintritt verlangt und konnten uns damit viele gute DJs leisten. Heute wäre so ein Line-up mit einem Eintritt von 7 Euro nicht mehr möglich. Viele Artists verlieren auch den Bezug zum Geld. Aber in den USA, Italien oder auf Ibiza werden diese Gagen gezahlt. Man ist dem Markt ausgeliefert.

Was ist eigentlich aus dem Label Flex Schallplatten geworden? Flex Schallplatten existiert de facto nur noch auf dem Papier. Leider ist das Ganze irgendwie in der Schublade stecken geblieben. Die Pläne es wieder zu beleben gab und gibt es. Aber an dieser Stelle ein großes Comeback von Flex Schallplatten anzukündigen wäre nicht seriös.

Du legst mittlerweile seit knapp 20 Jahren in diversen Clubs auf. Warum schreibst Du darüber nicht ein Buch? Es gibt tatsächlich Leute, die sagen, 'Rudi, schreib' doch ein Buch’. So etwas wäre vielleicht auch ganz witzig. Aber ich weiß nicht, ob ich da genug zu sagen hätte. Die Option halte ich mir auf jeden Fall offen. Es muss ja nicht gleich ein Buch sein, sondern vielleicht mal ein langer Aufsatz (lacht).

Was waren die dümmsten DJ-Wünsche in dieser Zeit? Solche Wünsche liegen eigentlich schon länger zurück. Mittlerweile kommen kaum noch Leute während ich auflege zu mir ans DJ-Pult und wünschen sich etwas. Der Klassiker unter den Fragen ist natürlich: "Hast du was zum Tanzen?"

Das Crazy wird es in dieser Form nicht mehr geben. Was kommt stattdessen? Ursprünglich wollte ich gar nichts mehr machen. Wir haben uns jetzt aber auf eine Alternative geeinigt. Diese sieht folgendermaßen aus: Die Dienstage werden auf vier Veranstalter aufgeteilt. Einen Dienstag werde ich weiterhin mit einer Veranstaltung bespielen – die regelmäßigen Crazys sind mit Ende Oktober aber vorbei. Die anderen Dienstagtermine übernehmen dann folgende Veranstaltungen bzw. Veranstalter: Nachteule von Philipp Straub, Superdrive von Manuel Petrik und Warda.

Die Fortgehtipps der kommenden Tage:

Im Roxy wird der erste Release der heimischen Band Liza Lauda gefeiert. Die Elektrock 'n' Roller werden sich dann natürlich auch selbst auf die Bühne begeben und die Tracks von "Circus" vorstellen. Den Support übernimmt Leitstrahl.

Die heimische Formation Maybe Men lädt ins Fluc zum Releasekonzert. Vorgestellt wird die "Rocketship EP", die auf 7inch-Vinyl veröffentlicht wird. Fünf krachende Brachialpop-Stücke sind darauf zu finden. Allesamt mit voller Hingabe und Leidenschaft produziert. Lo-Fi-Romantik inklusive.

In der Grellen Forelle müssen Fans von HC Strache neuerdings draußen bleiben. Mit dieser Aktion setzt der Club am Donaukanal ein Zeichen gegen die FPÖ und ihre populistische wie menschenverachtende Politik. Am Donnerstag lädt die Veranstaltungsreihe Kanal Royal zur Sause mit TJ Hicks aus den USA. Dieser wird vor allem für seine Interpretation von Detroit Techno geschätzt.

Während die WU-Studenten mit ihrem neuen Campus überglücklich sind, hat auch die angrenzende Pratersauna so ihre liebe Freude damit. Weht es doch nun viele Partyhungrige in den Club. Damit für die angehenden Manager und Banker in Sachen Bedürfnisbefriedigung auch etwas dabei ist, wurde kurzerhand eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Auf drei Floors wird einem da "Urban Music (Hip Hop, RnB, House), 70´s 80´s 90´s Edit´s & Remakes, Elektrotanz und Drum & Bass Workout" serviert.

Im Chelsea hat man Bock auf Kultur. Die Erlöse fließen direkt in die Ute Bock-Stiftung. Für den guten Zweck spielen zwei Bands: Gods feat. Bensh und The Boys You Know. Erstere setzten auf eine Kombination aus Synthiepop, Noise und Indierock. The Boys You Know geben hingegen die verschlurfte wie lässig hingerotzten Grunge, der an die Lemonheads und Dinosaur Jr. erinnert. Tolle Band.

Ab ins Museum. An tollen Ausstellungen mangelt es in Wien zurzeit nicht. Ansehen sollte man sich unbedingt die Warhol/Basquiat-Ausstellung. Empfehlenswert ist auch „A Skateboard Romance“ in der Galerie WestLicht oder die aktuelle Foto-Austellung im Kunsthaus. Dort sind die tollen Bilder des Schweizer Starfotografen Michel Comte zu sehen. Sehenswert sind auch die Bilder von Matt Stuart, die im Eigensinnig in Wien Neubau ausgestellt werden.

Im Leopold wird das Soul.Vienna Artfestival gefeiert. Konea Ra werden ihren zerbrechlichen Clubsound präsentieren. Das besondere dabei: Sängerin Stephi sitzt im Recording Studio in New York und wird via Übertragung eingespielt. In Wien an ihrer Seite: 3 Sängerinnen, das Konea Ra Mitglied Mathias und Julian, bekannt von Julian und der Fux. Klingt spannend. Die optische Unterstützung übernehmen luma launisch und Lapenschirm.

Im Morisson Club wird wieder mal Jack zu Gast sein. Bei der vom heimischen Magazin The Gap gehosteten Clubreihe geht es nach einer kurzen Pause im Sommer auch mit Vollgas in die neue Saison. Eingeladen wurde dieses Mal Reddey und Alex Bayer. Den Support übernimmt – eh klar- der Gastgeber aka Moogle.

Das Icke Micke ist diesen Freitag im Sass am Karlsplatz zu Gast. Die einst legendäre und lange Zeit abwesende Clubreihe rund um ihre Gründerin Tanya Bednar alias Tibcurl wird dieses Mal mit Unterstützung von Thomas Grün und Manuel Petrik über die Bühne gehen.

Wer eher auf Goa, Trance und Beats jenseits der 140 Beats-per-Mnute-Schallmauer steht, sollte am Freitag ins Utopia in der Ruckergasse (1120 Wien) gehen. Dort wird der in dieser Szene als Star geltende Day Din ein Live Set spielen. Wir verlosen dafür 1x2 Karten. Eine eMail mit dem Betreff "Day" an kult(at)kurier.at genügt.

Der Hafenjunge in der Esterhazygasse lädt ab 14.00 Uhr zum Flohmarkt mit Kaffee und Kuchen. Unter dem Motto „Alles, was beim Übersiedeln übrig blieb, muss raus“ werden diverse Sachen den Besitzer wechseln. Übrigens ist das winzige Lokal ein Muss für alle Fans der Stadt Hamburg. Ich sage nur: Astra und leckere Fischbrötchen.

Die heimische Ska-Punk-Spaß-Truppe Soupshop hat ein Album am Start. Es heißt „Muchas Gracias!“ und wurde in Berlin aufgenommen. Dort waren die Nächte lang und die Bierkisten schnell leer. Das hat sich auch auf die Songs niedergeschlagen. Diese tragen Namen wie „Beer“, „I'm Not Your Boyfriend“, „Murphy's Law“ und„This Is England“ und laden zum Fröhlichsein ein. Am 19. Oktober wird im B72 die Platte live vorgestellt.

Der Bubble Club lädt in den Morisson und feiert mit der Pomeranze Crew. Mit dem Schlachtruf "We Belong To The Night" wird dann in den feucht-fröhlichen Räumen gefeiert werden. Frische Frühstücks-Semmerl gibt’s dann direkt vorm Club – bei der Bäckerei Gül.

Die mittlerweile für lässige Bookings bekannte Veranstaltungsreihe Bande À Part holt für die Sause am Samstag Leon Vynehall nach Wien. Der Brite wird im Leopold sexy House-Tracks servieren. Die Vor- und Nachspeise gibt’s von unter anderem Woodcut, Bolek und Salute.

Gewinnspiel: Wir verlosen fürs Bande À Part 1x2 Karten. Eine eMail mit dem Betreff "Leon" an kult(at)kurier.at genügt.

Ach ja, am Samstag startet auch der Viennale-Vorverkauf: Das heißt: Endlos in der Schlange stehen, keine Karten für Wunsch-Filme mehr bekommen oder den Viennale-Onlineshop verfluchen. Am Ende wird man aber Karten für irgendeinen Film bekommen. Auch hier gilt: Dabei sein ist alles.

Den Sonntag beginnt man am besten mit einem Brunch. Vielleicht mal mit einem afrikanischen? Im Sagya in der Lichtensteinstraße (1090) kann man sich dann um nicht mal 11 Euro bis 16.00 Uhr mit orientalischen und afrikanischen Speisen den Bauch vollschlagen. Danach kann man sich – je nach Wetterlage – ins Museum bewegen oder auf der Couch zusammenbrechen.

Wer am Abend den Tatort mit Prof. Boerne auslassen möchte, sollte sich im Flex einfinden. Dort gibt es nämlich die Ein-Jahres-Feier von Sundaze. Das Programm verspricht einen großartigen Abend: Kool Keith aka Dr. Doom aka Black Elvis aka Dr. Octagon wird seine dicke Hose präsentieren. Der Rapper feierte vor allem in den 90er Jahren Erfolge. Nach Wien kommt er mit Kutmasta Kurt. Gemeinsam legten sie das Album "Diesel Truckers" vor. Darauf vermengen sie lässige Samples mit Underground-Style und Pimp-Gehabe.

Herrenmagazin aus Deutschland wird am Montagabend im B72 ihren neuen Tonträger „Das Ergebnis wäre Stille“ präsentieren. Auf ihrem dritten Album vereint die Truppe zehn muntere, melodische Gitarrenpop-¬Songs mit klugen Texten.

Gewinnspiel: Wir verlosen 1x2 Karten für das Konzert von Herrenmagazin im B72. Eine eMail mit dem Betreff "mag" an kult(at)kurier.at genügt.

Am Dienstag kann man im Flex erneut ein Taschentuch schwingen. Das Ende naht. Zuvor wird aber noch mal ordentlich gefeiert. Unter dem Titel „Grand Finale Part 1“ wird Nic Fanciulli eingeflogen. Der DJ, Produzent und Labelbetreiber ist ein Big Player in der TechHouse-Szene.

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