Griechenland: Muss Tsipras Varoufakis verkaufen?

Ein neuer Finanzminister in Athen könnte der politische Preis für weitere Unterstützung der Eurozone sein - oder gleich ein radikaler Umbau der Koalition.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Wie viel Vertrauen hat Tsipras überhaupt noch?

von Philipp Hacker-Walton

über das Verhältnis Athen-Brüssel

Nach mehreren Wochen des Stillstands soll es jetzt in den Schuldengesprächen zwischen Athen und Brüssel ganz schnell gehen. So stellen sich das zumindest die Griechen vor: Bis Montag wollen sie nun - endlich - eine detaillierte, komplette Reformliste vorlegen, die ihnen weitere Hilfszahlungen aus dem laufenden Rettungsprogramm sichern soll. Er erwarte eine Einigung mit den Geldgebern schon Anfang kommender Woche, sagte Wirtschaftsminister Giorgios Stathakis am Donnerstag im griechischen Fernsehen.

In Brüssel hingegen sind viele skeptisch, ob Griechenland so schnell die nächste Hilfstranche bekommen wird - und ob die Reformliste allein dafür überhaupt noch reichen wird. Die entscheidende Frage könnte bald lauten: Wie viel Vertrauen hat die griechische Regierung in den vergangenen Wochen verspielt - und welchen politischen Preis muss Premier Alexis Tsipras jetzt dafür bezahlen?

"Die letzten vier Wochen hätten wir uns sparen können", sagt Manfred Weber. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, der größten Fraktion im Haus, sitzt in seinem Büro im fünften Stock des Parlaments und macht an und für sich einen entspannten Eindruck. Als das Gespräch auf Griechenland kommt, ist es mit der Entspannung jedoch vorbei.

"Wir haben schwierige Wochen vor uns", sagt Weber. Er kritisiert, dass manche Politiker - auch Finanzminister der Eurozone - zu leichtfertig von einem möglichen Ausscheiden der Griechen aus der Gemeinschaftswährung sprechen würden. "Die politischen und wirtschaftlichen Folgen sind nicht zu unterschätzen", sagt Weber. "Andererseits muss auch klar sein: Der Grundsatz, wie wir EU-Rettungspolitik betrieben haben, ist nicht in Frage zu stellen: Geld gibt es nur für Reformen."

Mit Griechenland, sagt Weber, habe man in den letzten Wochen eher Rückschritte gemacht - und dann bei informellen Gesprächen, etwa am Rande des Gipfels vor einer Woche, "die Feuer gelöscht, die größtenteils von der griechischen Regierung gelegt wurden".

Jetzt, meint Weber, liege der Ball - wieder einmal - bei Athen: "Aufgrund des Verhaltens der letzten Wochen ist Skepsis angesagt. Es schwingt viel Sorge mit, und man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen in Griechenland sich jetzt ihrer Verantwortung bewusst sind."

Webers Bedenken sind klar, er drückt sie diplomatisch aus, will ganz offenbar nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Hinter vorgehaltener Hand hört man Spitzenpolitiker in Brüssel in diesen Tagen aber auch ganz andere Dinge sagen.

Etwa, dass es nur mit der Vorlage einer Reformliste - so umfassend und fundiert sie hoffentlich auch sein möge - nicht getan sein werde. Erfahrene Euro-Politiker verweisen darauf, dass jede Auszahlung aus dem Hilfsprogramm von einigen nationalen Parlamenten genehmigt werden muss. "Im deutschen Bundestag könnte das nach dem griechischen Theater der letzten Wochen jetzt schon schwierig werden", sagt einer. Ein Kollege verweist auf Finnland, wo im April gewählt wird: "Welcher finnische Politiker kann seinen Wählern im Moment glaubhaft machen, dass die Griechen die Reformen ernst meinen? Wer glaubt noch einer Liste aus Griechenland?"

Was man auf den Gängen der Institutionen dieser Tage immer öfter hört, ist, dass Tsipras ein klares politisches Zeichen setzen müsse, um Vertrauen zu schaffen, quasi als Begleitmaßnahme zur Reformliste. Und immer wieder kommt dabei ein möglicher Umbau der Regierung in Athen ins Spiel: Finanzminister Yanis Varoufakis würde in Brüssel wohl niemand eine Träne nachweinen. "Varoufakis auszutauschen wäre ein erster Schritt", sagt ein langjähriger Abgeordneter. Varoufakis gilt als mitschuld an den atmosphärischen Verstimmungen und am Stillstand in den Verhandlungen; er wird von vielen aber auch als stellvertretend für den linken Rand von Tsipras' Linksbündnis Syriza gesehen. Ein Austausch Varoufakis' wäre demnach auch eine Absage an die Linksaußen in Tsipras' eigener Partei.

Ein Schritt in die politische Mitte wäre aus Brüsseler Sicht überhaupt das beste Signal, das Tsipras setzen könnte - und zwar mit einem Koalitionswechsel. Tsipras könnte, so hört man in Brüssel, das Regierungsbündnis mit den rechten "Unabhängigen Griechen" auflösen - und stattdessen eine "nationale Einheitsregierung" bilden, mit der christdemokratischen Nea Dimokratia und der sozialdemokratischen Pasok, also jenen Parteien, die Griechenland in die Krise hineingeführt haben. Ex-Premier Antonis Samaris (ND) soll gegenüber Parteifreunden in Brüssel jedenfalls schon diesbezüglich vorgefühlt haben.

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